piwik no script img

Alles aloha im Frankenland

Ironman heißt jetzt Challenger: Nach Intrigen ist der traditionsreiche Triathlon im fränkischen Roth im Wandel begriffen – und wehrt sich vorerst noch tapfer gegen den drohenden Bedeutungsverlust

Frech behauptet Roth, es brauche Hawaii nicht, sondern sei sich längst selber Mythos

aus Roth FRANK KETTERER

Die Geschichte erinnert ein bisschen an die vom Schokoriegel. Aus Raider wurde damals schließlich ja auch Twix, ohne dass sich sonst groß etwas geändert hätte. Und in etwa so ist das auch mit Roth und dem Triathlon, jedenfalls auf den ersten Blick: Nach wie vor werden sich, wie an diesem Sonntag, in dem fränkischen Städtchen Hartgesottene aus aller Herren Länder auf den Weg machen in ein dreigeteiltes Leiden, das sie über 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Rad fahren und einen Marathon führt. Nur dass sie sich am Ende des langen und entbehrungsreichen Tages, wenn sie angekommen sind im Ziel, nicht mehr Ironman nennen dürfen, wie das bisher der Fall war, 14 Jahre lang, sondern nun eben Challenger. Das mag gewöhnungsbedürftig sein, aber selbst bei Twix war das ja nicht anders.

Eine nähere Betrachtung lohnt sich im Falle Roth und Triathlon dennoch, schon weil es im Vorfeld des neu ins Leben gerufenen Challenge-Wettbewerbs keineswegs nur um Sport gegangen ist, sondern viel mehr um Politik, also um Geld, Geschäft, Macht – und auch so mancherlei Intrige, die alle zusammen dazu geführt haben, dass das Große M mit dem i-Punkt, das Markenzeichen der Ironman-Bewegung, ab sofort über Frankfurt am Main leuchtet, erstmals am 18. August. Dazu muss man wissen, dass sich nur die Langstreckentriathlons „Ironman“ nennen dürfen, die bei der World Triathlon Corporation (WTC), dem Weltverband, die Rechte dafür gekauft haben. Im Gegenzug dürfen die jeweiligen Veranstalter nicht nur mit dem Ironman-Markenzeichen werben, sondern auch noch Startplätze, so genannte Slots, für den Ironman Hawaii vergeben, wo jeder Triathlet dieser Erde mindestens einmal in seinem Leben starten möchte.

Und um sich diesen hehren Wunsch erfüllen zu können, muss er sich eben bei einem der weltweit mittlerweile 14 Ironman-Wettbewerbe qualifizieren. Was für die WTC kein schlechtes Geschäft ist: Laut Brancheninterna kassiert der Weltverband jährlich rund 1.000 US-Dollar pro zur Verfügung gestelltem Slot; bei 120 Hawaii-Startplätzen, wie sie noch im vergangenen Jahr allein in Roth zu vergeben waren, kommt da schnell ein nettes Sümmchen zusammen, nicht zu vergessen die zwei bis drei Prozent, die die WTC zusätzlich von den Einnahmen der jeweiligen Veranstalter einstreicht.

Doch auch für die Lizenznehmer rechnet sich der Deal. Der Ironman Roth jedenfalls war in den vergangenen Jahren mit zwischenzeitlich knapp 3.000 Startern und mehr als 100.000 Zuschauern zur Goldgrube geworden. Deshalb wollte Organisator Detlef Kühnel, vor genau 20 Jahren zusammen mit Manuel Debus erster deutscher Teilnehmer beim Ironman Hawaii, den Vertrag mit der WTC auch verlängern. „Wir waren uns einig“, sagt der Franke. Warum der allmächtige WTC-Präsident Lew Friedland schließlich mit seinem langjährigen Geschäftspartner Kühnel brach, bleibt im Reich der Gerüchte. Verzückt hat es die WTC bestimmt nicht, dass Kühnel schon mal die Autonomie seines Events hervorkehrte – verbunden mit dem frechen Hinweis, Roth brauche Hawaii nicht unbedingt, sondern sei sich selbst längst eigener Mythos.

Tatsache ist, dass Ersatz für Kühnel und somit für Roth ziemlich schnell gefunden war. Das Rennen gemacht haben am Ende der Hawaii-Reiseveranstalter Kurt Denk und die Stadt Frankfurt. „Ich habe mich ganz normal um die Lizenz beworben, so wie man das eben tut“, sagt der geschäftstüchtige Hesse, der früher die in Roth qualifizierten Triathleten nach Big Island gekarrt hatte. Die Frankfurter Olympiabewerbung war ihm Steigbügel. „Das hat Türen geöffnet, die sich sonst nicht so leicht öffnen lassen“, gibt Denk zu. Sogar Hessens Ministerpräsident Roland Koch soll sich für seinen Schulfreund Denk stark gemacht haben.

Denks Verhältnis zu Kühnel gilt seitdem als zerrüttet, zumal der Hesse keine Möglichkeit auslässt, dem Franken das Leben so schwer wie möglich zu machen: Fürs nächste Jahr hat Denk angedacht, seinen Ironman von August auf das zweite Juliwochenende zu verlegen – seit 14 Jahren der Rother Termin.

Sportler und Zuschauer werden von all diesen Querelen am Sonntag freilich kaum bis gar nichts mitbekommen. Für sie hat sich nichts geändert, außer dass rund 1.000 Athleten weniger am Start stehen werden, nicht zufällig die Zahl, die sich 2001 laut Anmeldebogen für den Hawaii-Trip qualifizieren wollte. Mit knapp 1.500 Startern können die Veranstalter dennoch ganz gut leben, zumal erneut einiges an Weltspitze vertreten ist, unter anderem der erste deutsche Hawaii-Sieger Thomas Hellriegel, Lothar Leder aus Darmstadt, Cameron Brown (Hawaii-Zweiter 2001 aus Neuseeland), Steve Larsen (USA) sowie Nina Kraft, Hawaii-Dritte des Vorjahres und Roth-Titelverteidigerin.

Ob das auch in Zukunft so sein wird, muss freilich abgewartet werden. „Roth wird es schwer haben, weil die Leute nach wie vor verrückt sind nach Hawaii“, glaubt Lothar Leder, dreifacher Champion im Frankenland. „Für mich bleibt Roth Roth“, entgegnet derweil Nina Kraft, was zur Geschichte vom Schokoriegel passt. Irgendwie ist Raider ja auch Raider geblieben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen