: Wahlkampf verboten
Große Harmonie: Beim Besuch in Bremen lobt Wirtschaftsminister Werner Müller die Stadt, den Senat, die Wirtschaft und natürlich sich selbst
Nein, mit Wahlkampf habe der Besuch von Werner Müller (parteilos) überhaupt nichts zu tun. So wichtig war diese Feststellung für Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD), dass er sie gleich dreimal äußerte – ohne dass jemand danach gefragt hätte.
Aber ein wenig Werbung war natürlich doch erlaubt, als Müller gestern ins Rathaus kam. „Haben wir nicht einen tollen Wirtschaftsminister?“, fragte Scherf die Journalisten bei der Begrüßung, bevor sich Müller vor den Linsen von zehn Fotografen und zwei Fernsehteams ins Goldene Buch der Stadt eintrug („Mit ganz besonderen Grüßen und guten Wünschen für die Wirtschaft und ‚meine’ Universität“ – an der der Volkswirt Müller in Sprachwissenschaft promoviert hat).
Auch im Gespräch mit Vertretern der Bremer Wirtschaft blieb die Atmosphäre jederzeit freundlich, obwohl Scherf zuvor darauf hingewiesen hatte, dass es dazu keine Verpflichtung gebe. Der Minister lobte die Wirtschaft („Machen Sie in Bremen weiter wie bisher“), und die Wirtschaft ließ dem Minister breiten Raum, seine Politik darzustellen, und verzichtete auf allzu kritisches Nachfragen – obwohl Müller versicherte, er freue sich auf alle Fragen „außer zur Telekom“.
Der geplante Tiefwasserhafen in Wilhelmshafen habe „die volle ideelle Unterstützung durch den Bund“, versicherte Müller. Zu möglicher finanzieller Hilfe für das Projekt der Länder Bremen und Niedersachsen konnte er allerdings keine Angaben machen.
Gute Nachrichten hatte der Minister für den ehemaligen AFB-Bürgerschafts-Abgeordneten Lutz Peper, der Müller aufforderte, sich in Brüssel für die Wiedereinführung der Werftenbeihilfe einzusetzen. Dafür habe sein Ministerium ein Jahr lang intensiv mit allen EU-Ländern verhandelt, berichtete Müller, und zwar mit Erfolg: „Ich gehe davon aus, dass wir ab 1. Oktober wieder Wettbewerbshilfe zahlen.“ Allerdings habe er nicht das Gefühl, dass dies an der Küste großen Eindruck gemacht habe, stellte der Minister resigniert fest. „Manchmal frage ich mich: Vermarkten wir uns vielleicht zu schlecht?“
Die Sorgen um die Zukunft der Stadtwerke Bremen und der EWE wies Müller zurück. Bürgermeister Scherf hatte darauf hingewiesen, dass das Energieunternehmen Eon seine Beteiligung an diesen wegen der Übernahme der Ruhrgas AG – die Müllers Ministerium per Ausnahmegenehmigung ermöglicht hatte – abgeben muss, was für Unsicherheit sorge. Die Eon-Beteiligung sei nicht maßgeblich für die Firmen gewesen, meinte hingegen Müller: „Sie wird zu ersetzen sein.“ Generell sollten die Energieunternehmen erwägen, sich einem größeren Verbund anzuschließen, um auf dem Markt bestehen zu können.
Zur Frage von Handelskammer-Präses Dirk Plump, ob die Bundesregierung genug für die Förderung des Mittelstandes getan habe, berichtete Müller ausführlich von der Unterstützung für Existenzgründer, der Senkung der Steuersätze und den Nachbesserungen bei der Kreditrichtlinie Basel 2 („Hier sehe ich keine großen Probleme mehr“). Die Branche der regenerativen Energietechnik forderte Müller auf, stärker auf Export zu setzen. Mit 20 Millionen Euro wolle der Bund die Firmen dabei unterstützen, sich auf Energiemessen weltweit zu präsentieren, kündigte der Minister an.
Handelskammer-Vize Patrick Wendisch kritisierte die Praxis von Großkonzernen, die bei Massenentlassungen das Arbeitslosengeld in Sozialplänen fest einplanten, während kleine Betriebe stets Sozialabgaben zahlten und Kündigungen möglichst vermieden. Der Kritik an dieser „Ausbeutung des Mittelstands“ schloss sich Müller voll an.
Nur einmal, als aus der Runde die Vielzahl staatlicher Regelungen kritisiert wurde, widersprach Müller entschieden. „In der Wirtschaft gibt es so viel Beschiss im Einzelfall, dass man alles kontrollieren muss“, sagte er mit Verweis auf die jüngsten Skandale in der Lebensmittelbranche.
Doch bevor der Minister zum nächsten Termin aufbrach („Hier steht, ich soll jetzt Boot fahren“), hatte er, ganz wahlkampf-untypisch, am Ende sogar noch ein Lob für Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) parat: „Die Telefonate mit ihm sind immer angenehm: kurz, aber effektiv. Wenn ich etwas vorschlage, sagt er meist, ‚habe verstanden‘, und drei Wochen später heißt es dann, ‚melde Vollzug‘.“
MALTE KREUTZFELDT / Foto: Kerstin Rolfes
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen