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Bürgermeisterporträt versteckt

Die wechselhafte Geschichte einer erst im zweiten Anlauf gelungenen Durchsetzung impressionistischer Malerei in Deutschland: Ernst Barlach Haus dokumentiert Max Liebermanns Hamburger Werdegang

Ein abgekartetes Spiel seien viele Künstlerkarrieren: Das ist ein schnell gemachter Vorwurf an den schwer zu durchschauenden Kunstbetrieb. Sind aber die kurzfristigen Skandale überstanden, können in historischer Distanz die Strategien, mit denen Künstler durchgesetzt wurden, dokumentiert werden.

In einer kleinen Ausstellung im Ernst Barlach Haus wird jetzt eine kunststrategische Aktion dokumentiert, die vor genau 100 Jahren durchgeführt wurde: die Anerkennung des Berliner Malers Max Liebermann in Hamburg. Im Auftrag der „Kommission für die Verwaltung der Kunsthalle“ war der Künstler für einen Monat in die Elbvororte eingeladen. Hinter den sommerlich leichten Bildern, die er dort im Juli 1902 skizzierte, steht eine Geschichte über die Wahrnehmungsfähigkeit eines reichen, kunstinteressierten, aber stockkonservativen Bürgertums und die einer lebenslangen Freundschaft mit Alfred Lichtwark, dem Direktor der Hamburger Kunsthalle. Hamburg war damals die einzige Stadt, deren Kunsthalle Kunstaufträge vergab, und 1891 endete das bei Liebermann in einem Eklat: Sein eher realistisches Porträt von Bürgermeister Petersen wurde als zu wenig würdig abgelehnt und musste in der Kunsthalle hinter einem Vorhang versteckt werden.

Weitere zehn Jahre lang setzte sich Alfred Lichtwark für Max Liebermann ein, bis er im Rahmen seiner Aufträge für Hamburgbilder dem Künstler eine zweite Chance geben konnte. Diesmal klappte es: Die meisten Vorstudien und Ölbilder wurden von der Stadt angekauft. Lichtwark nutzte dies, um anhand der „Sammlung von Bildern aus Hamburg“ die Malerei der Moderne mit regionalen Motiven durchzusetzen.

Doch trotzdem ist Liebermanns Erfolg nicht allein strategisch zu begründen. Denn inzwischen war das Verständnis für den Impressionismus auch in Deutschland gewachsen. Auch Liebermann hatte sich von der dunklen Palette und den sozialkritischen Themen abgewandt und malte stattdessen Freizeitaktivitäten.

Die Ausstellung zeigt dies an drei Bildern: Dem Altmännerheim von 1880, den Ostfriesischen Bauern beim Tischgebet von 1890, und dem Restaurationsgarten von 1900: Wo einst nur gelegentliche Lichtflecken auftauchen, wird das Licht jetzt zum wesentlichen Element. Dass dem deutschen Impressionismus dennoch die Leichtigkeit abgeht, zeigen Entwürfe zu Liebermanns berühmtestem Hamburger Bild, das von der Kunsthalle leider nicht ausgeliehen wurde, der Terrasse im Restaurant Jacob: Hier skizziert der Maler erst die Architektonik des Bildaufbaus ohne Personen und nähert sich so konstruktiv dem im Atelier gemalten Bild. Eine Methode, die sich meilenweit von schneller Plain-Air-Malerei entfernt.

Hajo Schiff

Im Auftrag des Impressionismus – Max Liebermann und der Jenischpark, Ernst Barlach Haus, Jenischpark, Baron-Voght-Straße 50a; Di–So 11–18 Uhr; bis 25. August. Katalogbuch: 88 S., 19,80 Euro.

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