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„Das Unternehmen hat zu wenig Kapital“

Vivantes-Chef Wolfgang Schäfer bezweifelt, dass der landeseigene Klinikkonzern nächstes Jahr ohne Verluste bleibt. Neues Kapital durch Outsourcing

taz: Herr Schäfer, versetzen wir uns einmal gedanklich in das Berlin im Jahr 2007. Wie sieht Ihr Unternehmen, der Klinikkonzern Vivantes, dann aus?

Wolfgang Schäfer: Bei einer sehr optimistischen Betrachtung wird Vivantes dann einer der wesentlichen Player auf dem Gesundheitsmarkt sein. Auf diesem Markt wird es in den kommenden Jahren eine starke Konzentration geben, und Vivantes hat gute Voraussetzungen in diesem Konkurrenzkampf: zum einen durch die Größe des Unternehmens, zum zweiten aber auch, weil wir dann vernetzte Strukturen von stationären, ambulanten, tagesklinischen, pflegerischen und rehabilitativen Einrichtungen anbieten können.

Steht Ihnen der Sinn noch nach optimistischen Betrachtungen? Die Lage ist doch dramatisch: Trotz massiven Abbaus haben Sie noch immer viel zu hohe Personalkosten, einen Berg Altschulden – und die Grundstücke, die Ihnen das Land im Ausgleich dafür vermacht hat, werden Sie nicht los.

Wir erarbeiten derzeit ein Konzept zur langfristigen Unternehmensentwicklung, das im Oktober vorliegen wird. Noch sind wir in der Analysephase. Fest stehen aber zwei Dinge: Das Unternehmen ist mit zu wenig Kapital ausgestattet, und gleichzeitig mussten wir die Schulden übernehmen, die in den letzten Jahren aufgelaufen sind.

Das Land hat gerade das Eigenkapital von Vivantes um 55 Millionen Euro aufgestockt, jetzt sind es 12 Prozent. Der Rest ist Fremdkapital, kommt also von Banken. Betriebswirtschaftler halten 20 Prozent Eigenkapital für notwendig, sonst kann es schnell mit der Liquidität vorbei sein. Welche Möglichkeiten gibt es, das Eigenkapital aufzustocken?

Wir versuchen das über Tochterunternehmen, für die wir dann privates Kapital suchen. Chronomedic zum Beispiel betreibt unsere Lager, macht den Einkauf, versorgt die Medizintechnik, ist also für alle wirtschaftlichen Belange von Vivantes zuständig. Noch gehört sie uns zu hundert Prozent. Das soll sich ändern. Auch den Reinigungs- und den Cateringbereich wollen wir in Tochtergesellschaften auslagern und eine Tochter Rehabilitation aufbauen.

Möglichst viel privatisieren?

Wir wollen uns auf unser Kerngeschäft Medizin und Pflege konzentrieren, alles drum herum soll in Tochtergesellschaften aufgehen. Dafür suchen wir private Investoren, die dort ihr Kerngeschäft haben.

Reicht das denn? Liegt es bei Ihrem Kapitalbedarf nicht nahe, einzelne Krankenhäuser zu verkaufen, wie die CDU vorschlägt?

Das wollen wir nicht. Der Vorteil von Vivantes ist ja gerade die Größe des Unternehmens, die Schwerpunktbildungen möglich macht. Außerdem wollen wir uns doch keine neue Konkurrenz schaffen.

Aber Sie prüfen auch die Privatisierung einzelner Häuser.

Nicht einzelner Häuser, aber wenn man prüft, dann tabulos.

Also gleich das ganze Unternehmen? Wird es im Jahr 2007 bei Vivantes noch zehn Häuser in hundertprozentiger städtischer Trägerschaft geben?

Das kann und will ich jetzt nicht beantworten. Da wird es im Herbst die Antwort darauf geben.

Sie haben angekündigt, dass Vivantes im kommenden Jahr keine Verluste mehr machen wird. Noch sind es jährlich über 30 Millionen Euro. Halten Sie Ihre Prognose heute noch für realistisch?

Im vergangenen Jahr war das sehr realistisch. Da sah die Investitionsplanung des Landes noch Baumaßnahmen in verschiedenen Bereichen von Vivantes vor. Sie sind erforderlich, um unsere Betriebskosten zu reduzieren.

Da jetzt bis auf das Klinikum Neukölln alle Großinvestitionen gestoppt sind, können logischerweise solche Rationalisierungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden. Die Prognose vom vergangenen Jahr ist deswegen aus der heutigen Perspektive schwierig.

Also ein weiteres Jahr mit Verlusten. Wo liegt für Sie nach anderthalb Jahren Vivantes die größte Herausforderung?

Die liegt nach wie vor in den Personalkosten, die immer noch viel zu hoch sind. Außerdem müssen wir die Betriebsabläufe in allen Unternehmensbereichen verbessern. Jedes unserer zehn Krankenhäuser war früher ein mittelständisches Unternehmen. Die zusammenzuführen ist eine riesige Aufgabe. Dafür braucht man eigentlich Zeit, aber die haben wir nicht.

Herr Schäfer, sehnen Sie sich manchmal in das beschauliche Kassel zurück, wo Sie das städtische Klinikum geleitet haben?

Nein, dafür ist die Herausforderung in Berlin viel zu groß. Und mein Ergeiz ist nach wie vor ungebrochen.

INTERVIEW: SABINE AM ORDE

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