: „Wir sind kein Partyverein“
Freizeit 2000: Zuerst denken viele, das sei ein Reisebüro. Dabei hat der Bremer Kulturverein schon Hunderttausende angezogen – und Leute wie Bednarz, Loriot, Wallraff oder Lenz an die Weser geholt
Johannes Rau kam zur Verleihung des „Lew-Kopelew-Preises“, Vicco von Bülow alias Loriot, um seinen „Till-Eulenspiegel-Preis“ entgegenzunehmen – nur Günter Grass sagte ab, weil er schon den Literatur-Nobelpreis hatte. „Wir waren dicht dran“, ärgert sich der Preisestifter noch heute. Und da sitzt der Mann, dem die Bremer große Namen und noch viel mehr zu verdanken haben. Ein Niedersachse, der jetzt in der Vahr wohnt, hager, fast drahtig, ein Humanist, ein Pädagoge, ein Gutmensch, ein Fehlerfreier – dazu noch ein Leisetreter: Lothar Pohlmann (Hobby: Fußballspielen) hat mit seinen Veranstaltungen über die Jahre Hunderttausende angezogen – und außerdem den Namen der kleinen Stadt an der Weser in die weite Welt getragen. Pohlmann ist kein Popstar, kein Politiker – und mit den Scherfs und Perschaus wollen der 46-jährige Sportlehrer und sein Kulturverein „Freizeit 2000“ auch gar nichts zu tun haben.
Groß geehrt hat die Stadt Pohlmann und die sieben Aktiven für ihr Engagement noch nicht. „Zuerst denken viele, wir sind ein Reisebüro“, sagt Pohlmann. Vielleicht liegt es daran, dass „Freizeit 2000“ Dingen verpflichtet ist, die nicht besonders großen Hipp-Faktor haben.
„Wir sind kein Party-Verein“, sagt Pohlmann. Dafür „steht Völkerverständigung“ bei ihm „ganz oben“. Und „der Friedensgedanke“. Er sagt: „Wir wollen eine Welle auslösen.“ Oder: „Natürlich bin ich Lokalpatriot“. Oder: „Unser Ziel ist es, gegen den Trend zu arbeiten: Dass die Leute sich nicht zurückziehen, sondern durch Vorträge, Literatur und Kunst zueinander finden.“
Hehre Werte, fast eckige Formeln, für die die Freizeitler ihre Zeit verdonnern – natürlich ohne staatliche Fördergelder, alles ehrenamtlich. Pohlmann, erster Vorsitzender und Kopf der Truppe, rechnet „so mit vier, fünf Stunden pro Tag“. Das scheint Sinn zu stiften: Mit dem ganzen Aufwand hat „Freizeit 2000“ in den zwölf Jahren seines Bestehens schon viele Tupfer in die Stadt gesetzt. Exkursionen in die Natur, Ausstellungen, ein Geschichtslexikon über Bremer Straßennamen in bislang 12 Bänden (im Selbstverlag), Vorträge mit Siegfried Lenz oder Günter Wallraff und und und ...
Bei den „Kulturwanderungen“ Anfang der 90er setzte die BSAG Sonderbusse ein, um tausend Gäste nach Oberneuland zu bringen. Hunderte Knirpse kamen in den Bremer Ratskeller, um sich dort Zaubertricks beibringen zu lassen. Und der Saal in der Jugendherberge ist auch heute noch ständig proppenvoll, wenn es allmonatlich um „Menschen an der Weser – Klönschnack mit Zeitzeugen“ geht; zuletzt referierte Marlene Dullin über den „Plattdütschen Kring in Bremen“.
Und da sind natürlich die Preise, die die ganzen Promis nach Bremen locken. Christian Modersohn, der Sohn des Malers Otto, hat die Freizeitler damals mit dem russischen Dissidenten Lew Kopelew bekannt gemacht. Der Friedenspreisträger – ein großes Vorbild, ein „Übermensch“ für Pohlmann. Deshalb gibt es auch schon seit 1999 den „Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte“. Preisträger: der Gründgens-Schauspieler Will Quadflieg, Ex-Bürgermeister Hans Koschnick und zuletzt die britische Minenräumorganisation „Halo Trust“.
Inzwischen vergeben die Freizeitler den Preis zusammen mit dem Lew Kopelew Forum, dem ARD-Intendant Fritz Pleitgen vorsitzt. Da zog sich Pohlmann seinen einzigen Anzug an und fuhr nach Köln zur Vergabe – immerhin war der Bundespräsident dabei. Heute ist Pohlmann verdammt stolz: „Da hat die BBC ‚Freizeit 2000‘ weltweit über den Äther geschickt“.
Kopelew reichte den Bremer an Klaus Bednarz weiter, den ersten Träger des „Till-Eulenspiegel-Satirepreises“. Eigentlich ist der Journalist Bednarz eher staubtrocken. Pohlmann: „Der geht zum Lachen auf die Toilette. Aber zum Schluss von ‚Monitor‘ hat er immer was Satirisches gebracht“. Und so bekam Bednarz, der nächstes Jahr wieder in Bremen erwartet wird, die 40 Zentimeter hohe, bronzelegierte Eulenspiegel-Statue. Weitere Preisträger: der Buchautor Achim Kinzel und eben Loriot. Oft hat „Freizeit 2000“ angefragt, irgendwann kam die Zusage. Pohlmann braucht nicht damit zu protzen, sagt dann aber doch: „Und glauben Sie bloß nicht, dass der jeden Preis annimmt“. Kai Schöneberg
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