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Der Traum vom Job als Kellnerin endet im Bordell

UN-Bericht prangert den starken Anstieg von Verschleppung und Zwangsprostitution auf dem Balkan an. Immer mehr Kinder unter den Opfern

BERLIN taz ■ Eine Karriere als Prostituierte beginnt auf dem Balkan oft mit einer Zeitungsanzeige. Junge Mädchen werden dort gesucht, die als Kellnerinnen, Babysitter oder Krankenschwestern in Westeuropa arbeiten sollen. Die Verlockung ist groß, schließlich ist dort der Lohn einer Kellnerin oder Krankenschwester um einiges höher als in den kriegsgebeutelten und verarmten Balkanstaaten.

Doch der Traum vom Job in der EU entpuppt sich schnell als die dreiste Lüge von Schleppern und Menschenhändlern, die mit solchen Zeitungsanzeigen Mädchen für den lukrativen Prostitutionsmarkt anwerben. In Rumänien beispielsweise zahlt ein Zuhälter für eine Prostituierte zwischen 50 und 250 Euro, im Kosovo werden 700 bis 2.500 Euro für eine Frau gezahlt. Die Gewinne von Schleppern und Bordellbesitzern sind dabei astronomisch, wie aus einer Studie von Unicef, OSZE und der UN-Menschenrechtskommission hervorgeht.

Oft sind es sogar Nachbarn oder Bekannte aus dem eigenen Dorf, die Eltern mit Geld und Versprechungen von einem Job dazu überreden, ihre Kinder wegzugeben. Ein 16-jähriges Opfer aus dem Kosovo berichtet, ein guter Bekannter habe nach einer Vergewaltigung ihr Schamgefühl ausgenutzt und ihr einen Job in Mazedonien versprochen, „damit sie alles hinter sich lassen könne“. „Dort lebte ich mit anderen Mädchen in einem Haus, das wir tagsüber nicht verlassen durften“, erzählt sie. „Nachts wurden wir in eine Bar geschickt und mussten dort als Prostituierte arbeiten.“ Wie aus dem UN-Bericht hervorgeht, steigt vor allem die Zahl der sexuell ausgebeuteten Teenager auf dem Balkan. So seien beispielsweise bis zu 80 Prozent der aus Albanien verschleppten Opfer unter 18 Jahre alt.

„Der Zusammenbruch des Kommunismus, der Balkankrieg und die wachsende Armut in der Region haben die Entstehung krimineller Netzwerke in Südosteuropa ermöglicht“, sagt Hans Koschnick, ehemaliger EU-Administrator der Stadt Mostar in Bosnien-Herzegowina und Vorstandsmitglied von Unicef Deutschland. „Die Regierungen müssen endlich entschlossen gegen diese schmutzigen Geschäfte vorgehen. Die Opfer dürfen nicht länger als Kriminelle behandelt werden.“

Polizei und Justiz in Europa sehen den Menschenhandel meist nur unter dem Aspekt der illegalen Einwanderung. Einer Zwangsprostituierten drohen Haft und Abschiebung, sollte sie als illegale Ausländerin aufgegriffen werden. Nur ein Bruchteil der Opfer erhält Hilfe und Beistand.

Unicef, die OSZE und die UN-Menschenrechtskommission fordern nun, endlich international gültige Menschenrechtsstandards für die Opfer von Verschleppung zu schaffen und ihre Kriminalisierung stärker zu ahnden. AS

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