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Noch ein neues Job-Wundermittel

Alle freuen sich über die neuen Niedriglohn-Vorschläge der Hartz-Kommission. Doch die Experten wundern sich über die Begeisterung: Niedriglöhne schaffen wenige neue Jobs. Für den Staat dagegen werden die Hartz-Vorschläge teurer und teurer

aus Berlin ULRIKE HERRMANN

Heute erhält Gerhard Schröder Besuch: Die Hartz-Kommission reist ins Kanzleramt, um ihre Konzepte für eine Reform des Arbeitsmarktes vorzustellen. Viel Neues werden die vierzehn Männer und eine Frau dem Kanzler aber wahrscheinlich gar nicht darlegen können, haben doch „Kreise“ aus der Kommission bereits mit dem Spiegel gesprochen.

Traut man dem unbestätigten Magazinbericht, so wird unter anderem überlegt, die Geschäftsbedingungen für Minijobs ganz neu zu gestalten: Steuer- und abgabenfrei sind dann nicht mehr maximal 325 Euro, sondern 500 Euro Verdienst im Monat; und der Arbeitgeber muss nicht mehr 22 Prozent an Sozialversicherungsbeiträgen abführen, sondern nur noch 10 Prozent.

Das klingt teuer für den Staat. Doch wie teuer dieser Plan würde, das wollen Finanz- und Arbeitsministerium lieber noch nicht ausrechnen. Man warte auf „politisch tragfähige Vorschläge“, sagten die Sprecher gestern: „Für uns ist der Kanzler maßgeblich.“ Der schweigt bisher.

Dafür debattieren andere. Kompetenzkandidat Lothar Späth etwa begrüßte die geplante Reform der Billigjobs. „Mit den bisherigen 325 Euro haut das hinten und vorne nicht hin“, sagte er im Rundfunk. Auch SPD-Generalsekretär Franz Müntefering ist angetan. Doch wird beider Begeisterung von den meisten Experten nicht geteilt. Viktor Steiner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung erwartet, dass die Ausfälle bei Steuern und Sozialausgaben „in die Milliarden gehen“ würden.

Diese hohen Subventionskosten wären ja zu verkraften, wenn dadurch viele neue Arbeitsplätze entstehen würden. Doch auch damit rechnet Steiner nicht, sondern prognostiziert stattdessen „Mitnahmeeffekte“. Das neueste Hartz-Modell würde nicht die Arbeitslosen fördern, sondern die regulär Angestellten – eben vor allem jene rund 4 Millionen Menschen, die schon einen 325-Euro-Job besitzen. Zusätzlich würden sich dann noch viele Teilzeitkräfte freuen, die künftig mit weniger Arbeitsstunden auch auf die 500 Euro kämen, die sie jetzt schon verdienen.

Steiner rechnet daher höchstens „mit einigen tausend“ neuen Jobs. Und es wären Jobs, die den Problemgruppen nichts nutzen würden. Denn die Arbeitgeber würden nicht Geringqualifizierte oder Langzeitarbeitslose einstellen, sondern flexible und pflegeleichte Kräfte: Studenten, Hausfrauen und Rentner, die dazuverdienen möchten.

Wie schwierig es ist, mit Subventionen Arbeitsplätze zu schaffen, erlebt die Bundesregierung gerade auch an anderer Stelle. 50 Millionen Euro hat sie für das Mainzer Modell zur Verfügung gestellt; doch bisher haben nur 2.143 Arbeitslose damit einen neuen Job gefunden.

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