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sommerkrimi

Folge 5

Gunnar Niemöller war Einsatzleiter der Zollfahndung. Er hatte seine Leute direkt im Freihafen, rund um die Lagerhalle postiert, in der das Zeug lagerte. Sie waren über Interpol von den Mailänder Drogenspezialisten darüber informiert worden, dass sich in einem Schiff unter taiwanesischer Flagge mit Namen Verdun eine Palette mit ca. 35 kg Kokain befand. Geruchssicher in Plastik verschweißt, inmitten indischer und persischer Teppiche. Adressiert an Khalid Mami, einen Hamburger Kaufmann marokkanischer Herkunft. Den italienischen Kollegen war es gelungen, den kompletten Transfer über Pakistan, Afghanistan, Türkei, Italien, Portugal und Holland bis nach Hamburg zu recherchieren, sowie auf allen Zwischenstationen die beteiligten Verbindungsleute zu ermitteln. In Hamburg sollte diese Arbeit fortgeführt, aber zunächst nicht zugegriffen werden. Die Zollfahnder kooperierten zu diesem Zweck mit der Hamburger Kripo und mit einigen Spezialisten des BGS.

„Pieter!“

„Gunnar?“

„Es sind offenbar sechs Kuriere. Sie kommen jetzt raus. Unbedingt dranbleiben, aber behutsam! Zu eurem Ausgang fahren ein dunkelgrüner Audi, HH-ST 341, und ein Polo, HH-A 712, beide ziemlich klapprig. Sieht eher nach Flohmarkt-Händlern aus, nicht nach Mafia!“

„Verstanden, Gunnar.“

„Atze?“

„Moment, Pieter ...“ Lund hörte ein eigenartiges Geschmatze und Geschlürfe durch die Muschel „... hab alles mitgehört.“

Er sah seinen Lieblingskollegen vor dem inneren Auge, wie er hastig die Reste irgendeiner Currywurst verschwinden ließ, das halbgeöffnete Hemd über dem Ranzen gespannt, den unvermeidlichen Hut mit der kurzen, herabhängenden Krempe auf dem Kopf, obwohl er schon seit Stunden im Wagen saß. Er schmunzelte leise in sich hinein.

„Schmeckt‘s, Atze?“

„Der Hunger treibt‘s rein.“

„Welchen willst du?“

„Ich nehm den Polo.“ Jetzt fuhr der grüne Audi durch die Zollkontrolle.

„Action, Kinder! Atze, wenn dein Wagen durch ist, melde uns bei Gunnar ab. Und denkt daran: Kontakt nur wenn es sein muss und nur über die Handys. Allenfalls den Notruf über Funk. Morgen beginnt die Arbeitswoche um halb neun im kleinen Konferenzraum. Bis dahin habt ihr alles durchgecheckt: Namen, Adressen, was auch immer!“

*

Südfrankreich, 10.9.2001, 6.00 Uhr

George presste die Nase an die Scheibe. Der Zug war jetzt irgendwo in der Nähe von Toulouse. Lennie schnarchte selig. Endlich. Schwer zu ertragen, sein ständiges Gequatsche. George, was wollen wir denn in Hamburg machen? George, wenn wir die Knete von Novitzki geholt haben, wo gehen wir dann hin? George, was meinst du, wie viel Knete wir kriegen? George, ich will auf jeden Fall dahin, wo es immer warm ist! George, wenn wir die Knete haben, kauf ich mir erst mal ‘nen Walkman! So ging es in einem fort. Der Typ hat einfach ‘ne Matschbirne, dachte George. Aber das stand ja nicht zur Wahl.

Vorabdruck aus Holger Biedermann, Von Ratten und Menschen, Kriminalroman, erscheint am 28.8. bei Edition Nautilus Hamburg, 192 S., 12,90 Euro, © Edition Nautilus

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