: Immer nur Werbemaßnahmen
Musikvideos machen aus schnöder Promotion schönste Kunst. Und wieder waren die Beatles an allem schuld
Nach diesem 1. August 1981 war die Welt mal wieder anders: Es war der Tag, an dem der US-amerikanische Privatsender Musictelevision damit begann, Musikvideos auszustrahlen. Täglich. 24 Stunden. Die MTV-Werdung der Musik. Sie verhieß eine Rundumversorgung mit Pop, mitten im Herzen der Kleinfamilie, dem Fernsehapparat, von der die Pioniere der Pophörer, die erst eine Generation davor oft noch heimlich alle knapp rationierten Radiosendungen mit den dazwischengestreuten Beatnummern an ihren armseligen Kassettenrekordern mitschnitten, nicht einmal zu träumen wagten.
Wieso auch? Wobei zu Beginn der televisionären Offensive durchaus Zweifel laut wurden, wer denn nun wirklich so eine Dauerwerbesendung sehen will. Denn nichts anderes als Promostreifen sind die Videoclips ja dem Wesen nach. Die schnell auch in Richtung Kunst schielten. Weil sich bei der nun plötzlich benötigten Fülle des Materials gar nicht vermeiden ließ, dass sich sämtliche Tricks, die vorher nur in den Geheimzirkeln der Experimentalfilmer ausprobiert wurden, in den Musikvideos wiederfanden. Video killed the Radio Star, und ebnete auch den Zugang zu einer Ästhetik, die ansonsten im Elfenbeinturm der Kunst eingesperrt geblieben wäre.
Wie sich in dem Kurzfilmgenre der Musikvideos auch ein spezifisches Metropolengefühl spiegelt, will heute in einem natürlich mit Beispielen angereicherten Vortrag Angela Haardt – die frühere Leiterin der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen – im Haus der Kulturen der Welt aufzeigen. Begleitprogramm zur dortigen Ausstellung „Geist und Seele der Stadt“.
Was das mit den Beatles zu schaffen hat? Alles! Schließlich haben die Fab Four mit ihrem „Sgt. Pepper“ ein musikalisches Statement abgeliefert, das sich gar nicht mehr live reproduzieren ließ und damit den Bedarf an Werbefilmen für Musik befeuerte. Noch ein weiteres Stück zurück in der Geschichte waren es wieder die Beatles, die nach den öden Presley-Vehikeln erst definierten, was ein Musikfilm überhaupt sein kann. Angeleitet von Richard Lester, tollten sie zum Höhepunkt der Beatlemanie durch „A Hard Day’s Night“. Zwar kein Video. Dafür abendfüllend unterhaltend. Als Richard Lester Anfang der Neunziger von MTV einen Preis als „Vater des Musikfernsehens“ verliehen bekam, meinte der in seiner Dankesrede trocken: „Ich bestehe auf einem Bluttest.“ TM
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