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Mörderische Rache für Enthüllungen

Das vorzeitige Geständnis eintes Auftragskillers verhindert den geplanten Mord an der tschechischen Starjournalistin Sabina Slonková. Mutmaßlicher Hintermann ist der ehemalige Kanzleichef des tschechischen Außenministeriums Karel Srba

aus Prag ULRIKE BRAUN

Eine regelrechte Hinrichtung hätte es werden sollen: Mit drei gezielten Schüssen in den Kopf sollte die tschechische Star-Journalistin Sabina Slonková, Redaktuerin der Tageszeitung MF Dnes, zum Schweigen gebracht werden. Hintermann des geplanten Auftragsmordes ist angeblich der Exkanzleichef des tschechischen Außenministeriums Karel Srba, dessen Machenschaften lange ein gefundenes Fressen für Slonkovás Enthüllungen waren.

Eigentlich hätte der 10. Juli Slonkovas Todestag sein sollen. Verhindert wurde das nur, weil der Auftragskiller, ein alternder Junkie mit Ganzkörpertätowierung und dem Spitznamen „Zitrone“, kalte Füße bekam und alles der Polizei erzählte. „Sie haben mich angemietet, damit ich sie töte“, erklärte er. Für ganze 200.000 Kronen (6.600 Euro) hätte er die 29-Jährige umbringen sollen.

Die Polizei reagierte prompt: Slonková wurde schnell an einem geheimen Ort versteckt, gleichzeitig vermeldete die Polizei, eine junge Frau sei ermordet in Prag gefunden worden.

Geschockt sei sie vor allem darüber, dass ein hoher Beamter in ihre geplante Liquidierung verstrickt sei, sagte Slonková. „Ich hätte erwartet, dass ein Auftragsmord von irgendwelchen Primitivlingen der Unterwelt organisiert würde. Karel Srba war aber ein Staatsbeamter, noch dazu ein sehr hoch gestellter.“

Gründe zum Groll gegen Slonková hatte Srba anscheinend genug. Allein im vergangenen Jahr hatte die Journalistin immer wieder Leichen im Keller des ehemaligen Staatsdieners entdeckt. Srba wurde Ende 1998 vom damaligen Außenminister Jan Kavan, heute Chef der UNO-Vollversammlung, ins Ministerium geholt. Kurz darauf war Srba schon in die erste Affäre verstrickt, als er versuchte, den Direktor eines ressorteignen Tagungsortes zu erpressen, Beweise zu fälschen. Als der sich weigerte, ließ Srba ihm ausrichten, er solle sich schon mal von seiner Familie verabschieden, weil er bald nicht mehr sein werde.

Anfang vorigen Jahres musste Srba wegen grober Misswirtschaft zurücktreten, weil sein Amt das so genannte tschechische Haus in Moskau unter Wert vermietet und so den Staat um Einnahmen von rund 100 Millionen Kronen (etwa 3 Mio. Euro) gebracht hatte. Aufgedeckt wurden diese Machenschaften von Slonková, die auch nach Srbas Abschied nicht von ihm ließ. So enttarnte sie ihn nicht nur als Agenten des Militärgeheimdienstes mit dem Decknamen Salima, sondern brachte auch noch das Finanzamt auf seine Fährte. Srba, so fand Slonková heraus, besitzt Immobilien im Wert von über 10 Millionen Kronen (rund 300.000 Euro). Dass er die sich nicht von seinem Beamtengehalt habe leisten können, gab Srba zu. Das Geld, sagte er, hätte seine Mutter im Sparstrumpf gehabt.

Inzwischen mehren sich allerdings Verschwörungstheorien. Eine Hypothese lautet, nicht Slonková sei das Opfer, sondern Srbas Exboss Jan Kavan. Auch wenn der, wie er beteuert, nichts von der Sache wusste, steht er doch diskreditiert vor der UNO-Vollversammlung. Tschechiens Präsident Václav Havel forderte Kavan bereits auf, Konsequenzen zu ziehen. „Es wäre angebracht, wenn er einige der Funktionen, die er ausübt, überdenkt.“

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