: Alles eine Frage der Ethik
Das Unerwartete ist eingetreten: Das Europäische Patentamt hat eine Grundsatzentscheidung gegen Patente auf menschliche Embryonen getroffen
aus München und BerlinOLIVER HINZ und WOLFGANG LÖHR
Die Entscheidung des Europäischen Patentamtes (EPA) in München, das umstrittene Patent auf menschliche Embryonen drastisch einzuschränken, wurde von den Kritikern mit Freude begrüßt. „Dies ist ein wichtiger Erfolg“, sagte gestern der Patentexperte von Greenpeace, Christoph Then. Nach diesem Präzedenzfall werde es künftig schwieriger sein, solche Patente zu erteilen. Auch der Patentanwalt Christof Kuessen, der das Bundesjustizministerium vertrat, bezeichnete die Einschränkung des Patentes als entscheidenden Schritt gegegen den uneingeschränkten Handel mit Embryonen.
Das so genannte Edinburgh-Patent umfasste ein Verfahren, mit dem die in der Forschung heiß begehrten Stammzellen von anderen Zellen isoliert und gezüchtet werden können. Das EPA hatte im Dezember 1999 das Patent mit der Nummer EP 695351 an die Universität Edinburgh vergeben. Geschützt wurde damit auch ein Verfahren zur gentechnischen Manipulation von Keimzellen. Auf weltweite Proteste stieß eine Formulierung im Antrag, die auch das Klonen und die Züchtung von menschlichen Embryoenen unter Verwertungsschutz stellt. Und das, obwohl nach der europäischen Biopatentrichtlinie das Klonen von Embryonen und Eingriffe in die menschliche Keimbahn nicht patentiert werden dürfen. Das EPA räumte seinerzeit selbst ein, die Patentprüfer hätten übersehen, dass sich das Patent auch auf den Menschen erstrecke. Die Einspruchkammer korrigerte nun gestern den „Irrtum“.
Gestern Morgen noch befürchtete der Gentechnikexperte von Greenpeace, Then, vom Europäischen Patentamt „verarscht“ zu werden. Der Wortführer gegen das Edinburgh-Patent rechnete damit, dass es nur aus formalen Gründen eingeschränkt wird und zu keiner Grundsatzentscheidung gegen Patente auf menschliche Embryonen kommen würde. Dann hätte die drei Tage lange Anhörung in der Münchner Behörde als Witz geendet.
Doch die gestrige Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA ist aus Thens Sicht eine „wirkliche Überraschung“. Das EPA schuf einen Präzedenzfall. Das Europäische Patentübereinkommen von 1977 und auch die europäische Biopatentrichtlinie verbieten die Verwertung von Erfindungen, die gegen die „guten Sitten“ verstoßen. Doch erst zweimal sind Patente daran gescheitert.
Das Edinburgh-Patent ist das dritte. Damit wird erstmals aus ethischen Gründen ein Patent auf die Entnahme und Manipulation von Zellen aus menschlichen Embryonen sowie die Züchtung gentechnisch veränderter Menschen aus diesen Zellen kassiert.
„Das ist wegweisend für die Stammzellentechnologie“, freute sich auch Ruth Tippe von der Initiative „Kein Patent auf Leben“. Solche Patente seien nun vorläufig tabu. Tippes Initiative hatte wie dreizehn weitere Organisationen, unter anderem das Bundesjustizministerium, die italienische und auch niederländische Regierung, Einspruch gegen das Patent eingelegt.
Der Anhörungssaal beim EPA blieb allerdings in den letzten drei Tagen halb leer. Die Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS, die ebenfalls Einspruch eingelgt hatten, fehlten von Anfang an. Die PDS fiel gleich ganz weg, weil sie die obligatorischen 600 Euro für den Einspruch beim EPA nicht bezahlt hatte.
Auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) war nicht gekommen. Immerhin hatte auch die große Geldverteilerin der Forscher schriftlich das Patent angefochten, allerdings vor allem aus „technischen Gründen“; ethische Argumente riss sieh nur an.
Christop Then hofft nun, dass dieser Greenpeace-Erfolg länger währt als der aus dem Jahr 1995. Damals gewann die Umweltschutzorganisation zum ersten und bislang einzigen Mal ein Einspruchsverfahren beim EPA. Es ging um Ansprüche auf Saatgut. Doch schon 1999 fiel dieser Präzedenzfall wieder. Deshalb lobte Then die gestrige Entscheidung als „schön“, fügte aber hinzu, sie sei keine Garantie für die Ewigkeit.
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