: Sozialabgaben zahlt der Staat
aus Paris DOROTHEA HAHN
Sie hießen „TUC“, „Afip“ und „CES“: Seit den 80er Jahren hat jede französische Regierung ein neues Beschäftigungsprogramm mit einem neuen Namen eingeführt. Der neue rechte Premierminister Jean-Pierre Raffarin stellte seine Initiative in der vergangenen Woche vor. Diesmal heißt sie „contrat jeune“ und richtet sich an schlecht ausgebildete Jugendliche zwischen 16 und 22 Jahren.
Das Programm ist ein Geschenk, wie es sich die Unternehmer nicht großzügiger hätten ausmalen können. Denn im Gegensatz zu früheren Arbeitsbeschaffungsprogrammen begünstigen die „contrats jeunes“ ausschließlich die private Wirtschaft.
Die „contrats jeunes“ sind Jobs für ungelernte Arbeiter, für die die Unternehmen in den ersten beiden Jahren keinerlei Sozialabgaben zahlen müssen; erst im dritten Beschäftigungsjahr sind 50 Prozent des normales Satzes fällig. Diese Beiträge – aufs Jahr und pro Beschäftigter umgerechnet rund 2.300 Euro – übernimmt der Staat. Zielgruppe sind „Jugendliche mit schulischen Problemen“. Eine Lehre oder sonstige berufliche Bildung wird es für sie nicht geben. Falls sie langfristig ihre Jobs behalten, müssen sie auf dem beruflichen Niveau von Hilfsarbeitern verharren – die nur den Mindestlohn von rund 1.100 Euro im Monat verdienen.
Während der französische Unternehmerverband „Medef“ die Initiative erwartungsgemäß begrüßte, befürchtet die Opposition, dass die billigen Jugendlichen andere Berufsgruppen verdrängen werden – und die im europäischen Vergleich ohnehin niedrigen französischen Löhne noch weiter senken.
Das Hauptprojekt der rot-rosa-grünen Vorgängerregierung will der neue Premier jedoch allmählich reduzieren. Dieses Programm trug den Titel „emplois jeunes“ und war auf fünf Jahre befristet. Mehr als 300.000 arbeitslose Jugendliche sind momentan als erzieherische Hilfskräfte in staatlichen Schulen und Kindergärten beschäftigt, machen Kulturarbeit, betreuen Behinderte oder bieten sportliche Aktivitäten an. Sie werden landesweit dringend gebraucht. Auch rechts regierte Rathäuser greifen gern auf die meist überqualifizierten jungen Leute zurück, die zu 80 Prozent vom Staat finanziert werden. Allerdings bedeuteten auch diese „emplois jeunes“ für die Jugendlichen, dass sie nicht unbedingt eine berufliche Qualifizierung bekommen. Und nach fünf Dienstjahren haben sie keinen Anspruch, einen regulären Arbeitsplatz zu erhalten.
Der Regierungswechsel in Paris wird auch Folgen haben für jenes französische Arbeitsmarktprojekt, das europaweit bekannt wurde: die 35-Stunden-Woche. Nach Schätzungen hat sie 400.000 Jobs geschaffen oder erhalten, aber den Staatshaushalt auch milliardenschwer belastet. So kostet es bereits 15 Milliarden Euro jährlich, dass den Unternehmen Abgaben erlassen wurden, um sie für die Arbeitszeitreduzierung zu gewinnen.
Der neue Premier Raffarin will die 35-Stunden-Woche zwar nicht ganz abschaffen, aber gründlich verändern. So soll das zulässige Überstundenkontingent von jährlich 130 auf 180 Stunden steigen – was umgerechnet einer Wochenarbeitszeit von 39 Stunden entspräche.
Eine Reform der Arbeitslosenversicherung wird der neue Regierungschef jedoch nicht vornehmen – das hat schon die rot-rosa-grüne Regierung erledigt. Sie führte im letzten Sommer Pare ein, den „Pakt zur Rückkehr zur Beschäftigung“. Er zwingt Arbeitslose, notfalls auch schlechter bezahlte und weiter entfernte neue Jobs anzunehmen. Andernfalls drohen Sanktionen. Ergebnis: Die Zahl der Arbeitslosen, die überhaupt Arbeitslosengeld kriegen, ist noch weiter gesunken – schon vorher waren es weniger als 50 Prozent. Die Arbeitslosigkeit insgesamt steigt jedoch seit Mai 2001 wieder.
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