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Bilder fürs Ohr

NDR-Hörspielprogramm für den kommenden Herbst und Winter bietet skandinavische Krimis, Historisches und die Auseinandersetzung mit der Eventisierung von Großereignissen

von PETRA SCHELLEN

Man könnte es sich leicht machen und das Hörspiel als hoffnungslos veraltet diffamieren. Könnte hereinfallen auf die Mendel-artige Medienkreuzung auch dieses Jahrzehnts, die dem Publikum weismachen will, dass Optik und Akustik keinesfalls getrennt voneinander existieren können. Und dass zur dreidimensionalen Darstellung – sagen wir, auf dem Theater – notwendig auch immer dessen zweidimensionales Abbild, das Video, gehört.

Und letztlich hat die stetige, fast manische Vermischung der Genres und Sinne etwas Unemanzipiertes, suggeriert sie doch, dass man einem einzelnen Sinnesorgan keineswegs trauen kann, dass es zur Verifizierung mindestens eines zweiten bedarf. Und vielleicht kommt sie so ganz langsam abhanden, die Fähigkeit, beim bloßen Hören Bilder im Kopf zu entwickeln, weil man die Bilder eben immer gleich mitgeliefert bekommt.

Und auch wenn ein Hörspielprogramm wie das des NDR für die kommende Saison keine dauerhafte pädagogische Gegensteuerung sein kann, eröffnet das hier Gebotene doch die Möglichkeit eines subtilen Hör-Trainings. Und wenn es nur die Mankell-Krimis sind, die von September bis November zu hören sein werden, anknüpfend an den vor einigen Jahren begonnenen diesbezüglichen Krimi-Leseboom.

Innensichten der Gesellschaft bietet der Schwede Henning Mankell, Bedrückendes aus norwegischen Dörfern Karin Fossum, deren Roman Fremde Blicke im September vertont zu hören sein wird. Auf subtile Art ist dieser Krimi vergleichbar blutrünstig wie das Hörspiel Temutma der kanadischen Archäologin Rebecca Bradley, die einen blutsaugenden Mörder durch Hongkong schickt und des Rätsels Lösung tief in ein verlassenes Verlies verlagert. Und ob er aus der Mördergrube – ein Spiel mehrerer Hausbewohner im gleichennamigen Stück der Münchner Autorin Christina Calvo – wirklich wieder herauskommen kann, wird Redakteur Paul ganz allein ergründen müssen.

Doch nicht nur Literarisches –den Besuch des Leibarztes von Per Olov Enquist, den Roman eines Schicksallosen des Ungarn Imre Kertesz und Baudolino von Umberto Eco bietet die nächste NDR-Hörspiel-Zeit: Auch mit dem Medium selbst setzen sich einige Sendungen auseinander. Dicht an das Zusammenspiel von Hören, Gleichgewicht und Schweben führt zum Beispiel das Stück Crashing Aeroplanes von Andreas Ammer, ausgezeichent mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden. Dokumentarischer Kern des Stücks ist die Black Box, die nach dem Sinkflug zweier abgestürzter Flugzeuge übrig blieb. Sie fungiert als bizarres Bullauge, das – transformiert in Akustik – pompejigleich mumifizierte Stimmen und Stimmungen spüren lässt, die durch optisch zugelieferte Bilder bloß gemildert würden.

Die Eventisierung der Hinrichtung des Oklahoma-Attentäters Timothy McVeigh hat die 1960 in Frankfurt/M. geborene Patricia Görg zum Thema ihres Hörspiels gemacht: Die medialen Spuren aller Beteiligten – des am 12. Juni 2001 hingerichteten Attentäters und der Attentats-Opfer – hat sie als Versatzstücke benutzt und für ihr Hörspiel neu zusammengesetzt. Wie weit ein solches Stück aber tatsächlich zur Medienkritik taugt und den Voyeurismus nicht wieder neu entfacht, muss dann letztlich das Experiment erweisen.

Programm unter www.ndr.de

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