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Kein Kommentar

Romuald Karmakar wurde 1965 als Sohn einer Französin und eines Iraners in Wiesbaden geboren. Von 1977 bis 1982 lebte er in Athen, 1984 machte er in München Abitur. Seither hat er vierzehn Filme gedreht. Karmakars jüngstes Projekt, „Die Nacht singt ihre Lieder“, nach einem Theaterstück von Jon Fosse, für das er bereits Schauspieler, Kameraleute und einen Verleih präsentiert hatte, wurde von HR, BR, WDR, SWR, ZDF, der deutschen Filmförderungsanstalt und vom FilmFernsehFonds abgelehnt. Inzwischen hat das Bundesministerium für Kultur und Medien einen Antrag auf Produktionsförderung bewilligt. Nun will auch das ZDF einsteigen. Zurzeit arbeitet Karmakar an einem Drehbuch über NS-Gewaltverbrechen deutscher Polizisten in Polen.

„Dieses Bedürfnis nach ‚Wahrheit‘ in unserer Gesellschaft ist krankhaft“, schimpft er. „Man geht ins Kino und will Sicherheit.“ Doch genau die will der Dokumantarfilmer dem Zuschauer nicht geben. Letztlich sei doch alles Fiktion – und zugleich auch alles wahr: „Der beste Dokumentarfilm ist wahrscheinlich der“, erklärte er einmal, „in dem jemand ununterbrochen lügt.“ Man kann die Sache auch umdrehen: Dann ist der Text authentisch und der Sprecher gedoubelt.

Nach diesem Prinzip entstand Karmakars jüngster Film „Himmler-Projekt“ (2000), in dem Manfred Zapatka Heinrich Himmlers dreistündige „Posener Rede“ vom 4. Oktober 1943 vor 92 SS-Generälen vorträgt. Für Karmakar, dem immer wieder vorgeworfen wird, er verherrliche Gewalt, keine ungefährliche Produktion. „Seit Jahren mehren sich die Fälle, in denen über Wort und Werk eines Künstlers der Stab gebrochen wurde, ohne dass seine Äußerung die leisteste Chance hatte, sich als Kunstform zu erweisen. Die Kunstform wird nicht anerkannt, weil sie als solche nicht erkannt wird“, beschrieb Ulrich Raulff in einem SZ-Artikel kürzlich „Das Elend der Kritik“ der Gegenwart.

Schön, wenn die Ausnahme den trifft, der auch schon unter ihrer Regel zu leiden hat. Für Idee und Realisierung des „Himmler-Projekts“ (WDR und 3sat), erhielt Karmakar zusammen mit Manfred Zapatka im März den Grimme-Preis 2002. Begründung der Jury: „Kompromisslos der Stil, ohne Kommentar der Inhalt, minimalistisch die Methode, innovativ das Ergebnis, bedeutend die Substanz. Was Romuald Karmakar gelingt, ist neues Medienformat: eine fiktive Dokumentation.“ Er zeige die subversive Ausleuchtung eines Systems durch sich selbst.

Die typische Dynamik von Kurzspielfilmen, die einzig auf eine Pointe hinauslaufen, fand Karmakar stets unbefriedigend. Also hat sich der Autodidakt mit fünf Dokumentarfilmen ins Filmhandwerk eingespielt, bevor er mit dem „Totmacher“ (1995) seinen ersten Spielfilm drehte – der die Handschrift seiner Dokumentarfilme beibehält und ausbaut: Mit langen Kameraeinstellungen schafft Karmakar Raum für das Schau-Spiel wie für szenische Spannung, die die Kamera eher protokolliert als dramaturgisch vorantreibt. Es ist das Kraftfeld zwischen einer Basis an Fakten und dem, wozu der Filmemacher an eigener Formung des Themas fähig ist. Macht man sich Thomas Manns Urteil zu Eigen, es gebe nur zwei Ansichten der Welt, die ästhetische und die moralische, hat Karmakar glasklar den Blick des Ästheten: „Es geht darum, ob etwas interessant ist oder nicht.“

Werkauswahl: Eine Freundschaft in Deutschland (1985), Hunde aus Samt und Stahl (1989), Warheads (1989/92), Der Tyrann von Turin (1994), Der Totmacher (1995), Das Frankurter Kreuz (1998), Manila (1999), Das Himmler-Projekt (2000). NIKE BREYER

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