Schnauzbärte in Gefahr

Das Staupe-Virus dezimiert die Seehundbestände im Wattenmeer – den Forschern sind die Hände gebunden. Sie halten dänische Nerzfarmen für eine Virenquelle

Ganz gleich, ob sie auf Herrchens Englischem Rasen herumtollen, oder mit bärtigen Schnauzen in der Nordsee nach Fisch tauchen – Hunde fangen sich schnell mal eine Krankheit.

Nur dass Festlandhunde meist von besorgten Menschen um- und von Tierärzten medizinisch versorgt werden. Das Staupe-Virus dürfte vielen Hundebesitzern bekannt sein. Für die geimpften Vierbeiner stellt es aber keine Gefahr dar. Anders bei Seehunden: „Von den etwa 35.000 Tieren, die um die dänische Halbinsel leben, sind jetzt ungefähr 2.000 infiziert. Die Krankheit verläuft tödlich“, bedauert Ursula Siebert, Meeressäugerexpertin der Uni Kiel. Die Wattenmeer-Schnauzbärte könnten nicht mehr tauchen und jagen, da das Virus ihre Atmung behindere. Dadurch werde auch das Immunsystem geschwächt.

Aber woher kommt das Virus so plötzlich? „An der dänischen Küste häufen sich die Nerzfarmen“, so die Seehundforscherin. Die Pelze in spe lebten auf sehr engem Raum und seien so besonders anfällig für Staupe. „Gut möglich, dass ein paar infizierte Nerze ausgebüxt und zum Meer gelaufen sind. Da könnten sie dann die Seehunde angesteckt haben“, vermutet Siebert.

Den Forschern sind die Hände gebunden: Mehr als zusehen und hoffen können sie nicht, denn Eingreifen wäre gefährlich: „Wenn wir ein krankes Tier behandeln und wieder aussetzen, könnte es das Virus noch in sich tragen und gesunde Tiere anstecken“, befürchtet die Expertin. Außerdem stünden nicht genügend Helfer zur Verfügung, die die Küsten nach gestrandeten Tieren absuchten.

Für die Forscher besteht aber Hoffnung: 1988 gab es eine Staupe-Epidemie weit größeren Ausmaßes: „Damals raffte das Virus beinahe die Hälfte der Tiere hinweg. Nach erstaunlich kurzer Zeit hatte die Population sich vollständig erholt“, so Siebert. Aussterbensgefahr bestehe also nicht.

Für Menschen ist der Kontakt mit infizieren Tieren deshalb gefährlich, weil diese, durch ihre Krankheit geschwächt, zu regelrechten Bakterienherden werden. Die können dann bei Zweibeinern Lungenentzündung und Fieber hervorrufen. slk