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„Da hilft auch eine Million nicht“

Höhere Bezahlung schützt nicht gegen Korrumpierbarkeit, meinen angesichts der Hunzinger-Debatte die Fraktionen im Abgeordnetenhaus. Die Berliner Volksvertreter gehören zu den Geringverdienern unter den Landesparlamentariern

Für Unternehmensberatungen ist die Sache leicht: Abgeordnete besser bezahlen, dann sei auch die Beeinflussbarkeit vor außen à la Hunzinger geringer, ist von Kienbaum und Roland Berger zu lesen. Berlins Landesparlamentarier hingegen sehen darin keinen Schutz gegen Korrumpierbarkeit oder Abhängigkeiten. „Das treibt nur den Preis in die Höhe“, sagt FDP-Fraktionschef Martin Lindner, und seine grüne Chefkollegin Sibyll Klotz meint: „Da hilft es auch nicht, wenn jeder eine Million verdienen würde.“ Ähnlich zweifelnd äußerten sich auch SPD, PDS und CDU.

Dreht man die Logik der Unternehmensberatungen um, müssten die 141 Landesparlamentarier besonders anfällig für Einflussnahme von außen sein. Denn sie gehören zu den Geringverdienern unter den deutschen Abgeordneten, sind Nr. 14 unter den 16 Landesparlamenten. Denn wie in Bremen und Hamburg ist das Mandat als Teilzeitjob deklariert und honoriert, die Abgeordneten sollen ihren alten Beruf weiter ausüben können. „Besseren Bezug zur Gesellschaft halten“, nennt das Parlamentspräsident Walter Momper (SPD). „Das ist doch ein Hirngespinst“, sagt die Grüne Klotz zum angeblichen Teilzeitparlament, „grotesk“ nennt es CDU-Mann Frank Henkel. Tenor: Wer sich richtig reinhängt, hat zumindest innerhalb einer 40-Stunden-Woche für einen anderen Job keine Zeit. Das zeigte sich vor allem bei der Entscheidung zur Risikoabschirmung. Das sei eine Ausnahmesituation gewesen, sagt Präsi Momper, der nichts ändern mag. Tatsächlich aber ist nur jeder zweite Abgeordnete berufstätig, gegen null geht die Quote bei PDS und Grünen. Doch wer keinen Zweitjob hat, lebt allein von jenen 2.951 Euro, die das Land monatlich als steuerpflichtige Entschädigung überweist.

Das ist viel im Vergleich zu den Armen der Stadt, fast drei Mal so viel wie das Durchschnittseinkommen. Wenig aber ist es im Bundesvergleich. 6.401 Euro beträgt die Grundentschädigung in Hessen. In Bayern gibt es 5.718 Euro, dafür ist die zusätzlich gezahlte Kostenpauschale von fast 2.700 Euro die mit Abstand höchste aller Länder – in Berlin liegt sie bei 870 Euro.

Nicht nur Unternehmensberatungen befinden die Politikergehälter für zu gering. Auch die frühere SPD-Größe Peter Glotz hält in der Zeit bessere Bezahlung für angemessen. Die Parteien würden das nur nicht fordern, weil es unpopulär ist: „Sie wollen sich nicht die Knochen brechen lassen“, schreibt Glotz.

Das bestätigt sich in Berlin. „Wenn wir mehr Geld fordern, heißt es: Die bedienen sich selbst“, sagt die PDS-Abgeordnete Gesine Lötzsch, SPD-Fraktionssprecher Thorsten Metter fürchtet ein falsches Zeichen. Auch Klotz macht trotz ihrer Kritik keine offizielle Forderung auf: Eine Verfassungsänderung könne sich über Jahre ziehen, „und mit der Länderfusion ist die Sache sowieso erledigt.“

STEFAN ALBERTI

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