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Folge 11

George ging vorsichtig zu ihm und legte ihm die Hände auf die Schultern. Arme Wurst, dachte er, Lennie ist wirklich eine arme Wurst, verdammt! George schüttelte den Kopf und würgte den Kloß aus seinem Hals. Lennie starrte abwesend vor sich hin. Plötzlich fiel er auf die Knie und klappte vornüber auf die Sofalehne. Er vergrub den Kopf in den verschränkten Armen und wurde von einem nicht enden wollenden Weinkrampf geschüttelt.

George strich Lennie tröstend über den Kopf.

„Arschratte, er war eine Arschratte, Lennie. Irgendwann musste er so enden. Ist ziemlich Banane durch wen.“

Als er Lennie einigermaßen beruhigt hatte, ging George auf den Flur und horchte. Alles blieb ruhig. Er ging wieder ins Wohnzimmer zurück.

Mann, was für ein Chaos! schoss es ihm durch den Kopf. Muss vor allem jetzt Ruhe bewahren.

„Ich geh mal pinkeln, Lennie. Und dann räumen wir auf und verschwinden von hier, macht keinen Spaß mehr.“

Nach nicht einmal einer Minute kam George zurück.

„Verdammt, Lennie, dein Scheißhaufen stinkt da vor sich hin. Ist echt eklig, Mann. Nicht mal wegspülen kann man das Ding. Kommt kaum noch Wasser. Was haste denn mit dem Scheißhaus angestellt?“

„Nichts, George, ganz bestimmt, ehrlich, glaub‘s mir. Bei mir kam auch schon kaum Wasser. Ich erzähl echt die Wahrheit, wirklich, du, grad als ich mal in ‚n Kasten gucken wollte, da kam Novitzki und, und ...“

„Nichts für ungut, Lennie, war bloß ‘ne Frage!“

George drehte sich abrupt um und ging zurück ins Bad. Er stieg auf die Brille und schaute in den Wasserkasten.

„Sieh an, was haben wir denn da!“ Seine Hände beförderten ein ziemlich großes Paket hervor.

„Guck mal, Lennie. Das Ding hat den halben Wasserkasten ausgefüllt. Da hättste auch gleich daneben scheißen können!“

George setzte sich auf die Brille, riss das Paket an einer Ecke auf, leckte einen Finger an und steckte ihn in das Loch.

„Sieht aus wie Koks, Mann! Ungefähr vier, fünf Kilo. Das hätte ich ihm nicht auch noch zugetraut.“

Er streute etwas von dem weißen Pulver auf seinen Handrücken und zog es kräftig durch die Nase ein.

„Tatsächlich!“ Er sprang auf, boxte Lennie unvermittelt in die Seite.

„Wir sind reich! Lennie, wir sind reich!“

Lennie grinste unsicher, spielerisch die Box-Hiebe abwehrend.

„So, Dicker. Geh mal aus dem Weg.“ Er griff in einen Putzeimer neben dem Waschbecken und holte einen Lederlappen heraus.

„Moment.“

George langte noch einmal in den Eimer und kramte ein Paket Einmal-Plastikhandschuhe hervor.

„Die werden wir uns jetzt beide anziehen. Auf keinen Fall wieder ausziehen, bevor wir die Wohnung verlassen haben, hörst du?“

Vorabdruck aus Holger Biedermann, Von Ratten und Menschen, Kriminalroman, erscheint am 28.8. bei Edition Nautilus Hamburg, 192 S., 12,90 Euro, © Edition Nautilus

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