: Rettende Blicke durch die Betonmauer
Ein neuartiges Gerät könnte die Suche nach Verschütteten in Ruinen deutlich erleichtern. Das „BioRadar“ wird von einem Unternehmen in Oberschöneweide hergestellt. Der Erfinder war ein russischer Physikstudent
Am 3. August 1998 zerfetzte eine Gasexplosion ein Wohnhaus in der Steglitzer Lepsiusstraße, sieben Bewohner wurden unter den Trümmern begraben. Polizei und Feuerwehr suchten mit Hunden und Spezialgerät nach Verschütteten. Auch ein in Berlin entwickeltes Radarsuchgerät kam dabei erstmals zum Einsatz, das „BioRadar“ der Berlin Oberspree Sondermaschinenbau GmbH (BOS). An der Entwicklung der Maschine zum Aufspüren von Verschütteten in Häuserruinen und Lawinen war Sviatoslav Fisun maßgeblich beteiligt.
Der heute 25-Jährige hatte am Tag des Unglücks vor vier Jahren an der Technischen Fachhochschule studiert, weshalb er seine Entwicklung nicht selbst testen konnte. Den gebürtigen Russen wurmt heute ein wenig, dass damals die Rettungsteams ihre Arbeiten nur für Minuten unterbrachen, damit ein BOS-Mitarbeiter das Gerät anwenden konnte. „Irgendwas wurde gesehen“, berichtet Fisun, „aber nicht deutlich. Am nächsten Tag lasen wir in der Zeitung, dass an der Stelle eine Katze gefunden wurde.“
Der junge Software-Ingenieur stammt aus Moskau, wo er Strahlenphysik an der Universität für Ingenieurwissenschaften und Physik studierte. Schon in Russland hatte er für BOS einiges an Software entwickelt. BOS-Geschäftsführer Richard Schimko bot ihm schließlich an, in Berlin zu Ende zu studieren. Die Diplomarbeit hatte ebenjene Software zum Gegenstand, die jetzt im „BioRadar“ arbeitet und in einem früheren Industrieareal in Oberschöneweide gebaut wird.
Das Gerät, das in ein Bordcase passt, kann die Bewegung eines atmenden Brustkorbes durch eine Betonmauer hindurch „sehen“. Für Ingenieure ist das natürlich keine Hexerei. Das eigentliche Radargerät enthält einen Sender und einen integrierten Empfänger. Bewegt sich nichts, wird ein Standsignal reflektiert. Schon bei Kleinstbewegungen um wenige Millimeter kommt ein zweites Signal hinzu. Dieses wird von der Software herausgefiltert und auf dem Bildschirm eines Laptops dargestellt. Fisun schrieb das Programm für die Auswertung der Signale und sorgte für eine einfache grafische Darstellung.
„Auch lawinenverschüttete Menschen, die noch atmen, lassen sich gut erkennen, denn Schnee lässt die Strahlen fast ungehindert hindurch“, zählt Fisuns Vorgesetzter bei BOS, Frank Schilling, die möglichen Einsatzgebiete auf. Beim Zoll könnten Flüchtlinge in Containern ohne Röntgentechnik gefunden werden. Denkbar wäre ein Einsatz auch in der Gebäudesicherung. Eine Messung dauert nur 36 Sekunden, der Bereich, den das Gerät abtastet, entspricht einem Winkel von 60 Grad.
Positive Reaktionen habe es bereits vom Technischen Hilfswerk, von bayerischen Feuerwehren und amerikanischen Rettungsteams gegeben. BioRadar-Geräte seien bereits nach Griechenland, in die Slowakei und nach Japan geliefert worden. Trotz aller Vorteile der neuen Technologie rechnet Schilling nicht damit, dass sich das Gerät schnell durchsetzen wird. Rettungsteams hätten meist eigene, auf Erfahrungen beruhende Vorstellungen, wie gesucht werden soll. Neuerungen würden mit Skepsis betrachtet.
GERALD MACKENTHUN, DPA
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