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Der Trainer zeigt realpolitische Weitsicht

Nach dem 1:4 im Ligapokal-Finale gegen Hertha sieht Schalke-Coach Neubarth dem Saisonstart eher besorgt entgegen

BOCHUM taz ■ Wenn es an diesem trüben Abend auf Schalker Seite einen glücklichen Menschen gab, dann war es Mike Büskens. Eigentlich nur noch Profi auf Abruf, wurde Büskens wegen der anhaltenden Personalmisere überraschend in den Kader für das Ligapokalfinale berufen. Und als wäre dies nicht genug, durfte Mike Büskens Mitte der zweiten Halbzeit auch noch raus, zum Aufwärmen. Die knapp 6.000 Schalker Fans im gähnend leeren Bochumer Ruhrstadion feierten ihren ehemaligen Publikumsliebling frenetisch – eine Ehre die an diesem Abend bezeichnenderweise sonst nur Extrainer Huub Stevens zuteil wurde.

Letzterer hatte nach der Partie allen Grund zum Optimismus: „Kompliment an meine Mannschaft. So wie die sich in der zweiten Halbzeit reingehängt haben, ist das schon aller Ehren Wert.“ Mit einem 4:1-Erfolg sicherte sich seine Hertha relativ locker erneut den grünen, sechseckigen Bergkristall, genannt Ligapokal. Wie schon im Vorjahr blieb der stark ersatzgeschwächten Schalker Mannschaft nur die Aufgabe des Sparringspartners.

Dass das nicht allzu viel bedeuten muss, durften die Berliner im letzten Jahr erfahren: Nach dem Erfolg im Ligapokal folgte der Absturz in der Bundesliga. Sportlich dürfte bei beiden Teams also eher ein indifferentes Gefühl überwiegen, finanziell – worauf man auf Schalke besonders Wert legen wird – dagegen ein eindeutig Positives. 1,27 Millionen Euro kassierten die Berliner für den Sieg, den Schalkern blieben immerhin noch gut 890.000 Euro. Genug, um noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv zu werden?

Gerade einmal 13 Schalker Lizenzspieler haben die Vorbereitung unbeschadet überstanden. Während der Partie im Bochumer Ruhrstadion zerrte sich dann auch noch Nils Oude Kamphuis den Oberschenkel. So musste Marco van Hoogdalem trotz Schleudertrauma 90 Minuten durchspielen. „Alles was laufen kann, spielt“, lautete die Devise von Neutrainer Frank Neubarth. Das Einstudieren taktischer Feinheiten blieb dabei natürlich auf der Strecke. Aber auch einfachste Dinge wie gelungene Ballannahmen oder angekommene Kurzpässe mutieren momentan zu seltenen Glücksmomenten.

Spieler wie Jörg Böhme, Ebbe Sand und Andreas Möller sind vor allem körperlich weit von ihrer Bestform entfernt. Neuzugang Christian Poulsen zeigte nur in Ansätzen, dass er eine Verstärkung sein könnte. Die Abwehr wirkte gegen die schnellen Konter, die wahlweise über Marcelinho oder Alex Alves vorgetragen wurden, stellenweise überfordert. Das nervt natürlich, vor allem wenn man hilflos zuschauen muss. Torhüter Frank Rost zog nach dem Spiel vor laufenden Kameras völlig aufgewühlt über Schiedsrichter Hartmut Strampe her. „Typisch Strampe, der pfeift doch immer so.“ Die Entscheidung, der Elfmeterpfiff zum 3:1, war diskutabel. Die Heftigkeit der Äußerungen lässt tief blicken.

Die Zeit ist jedenfalls nicht auf Seiten der Schalker. Die Mannschaft wirkt eine Woche vor Saisonstart seltsam ausgepowert. Die Spieler taumeln angeschlagen dem ersten Spiel gegen den VfL Wolfsburg entgegen. Ein Zustand, den auch Frank Neubarth nicht vor der Öffentlichkeit verbergen will: „Wir können gegen Wolfsburg noch keine Topleistung erwarten“, versucht der Schalker Trainer mit realpolitischer Weitsicht, die Anhängerschaft zu beschwichtigen. Auf eventuelle Neuverpflichtungen angesprochen, verweist Neubarth auf Tomasz Waldoch und Emile Mpenza, die zurückkehren. Das muss reichen, wenn sich keiner mehr verletzt. Und wenn nichts mehr geht, finden sich für Olaf Thon und Yves Eigenrauch sicher auch noch passende Fußballschuhe. Neben Mike Büskens wäre auf jeden Fall noch Platz.

HOLGER PAULER

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