Algerien sitzt auf dem Trockenen

Die Wassernot nach lang anhaltender Trockenheit und jahrelanger Vernachlässigung trifft vor allem die Armen. Jetzt will ein Unternehmer mit Meerwasserentsalzungsanlagen Geschäfte machen, die Mineralwasserverkäufer verdienen jetzt schon

aus Algier REINER WANDLER

Die Bilder gleichen sich: Ob in Tlemcen, westlich der Hauptstadt Algier, ob in Skida im Osten oder in Bechar im Süden – immer wieder gehen die Menschen in Algerien auf die Straße. Aufgebracht über fehlendes Trinkwasser werfen sie bei öffentlichen Gebäuden die Scheiben ein und errichten Barrikaden. In Tlemcen kommt seit mehreren Monaten kein Tropfen mehr aus dem Hahn. In Bechar ist es ähnlich, und selbst in den meisten Stadtteilen Algiers gibt es nur alle vier Tage für wenige Nachtstunden Wasser. Dann duschen sich die Menschen, waschen ihre Kleidung und füllen von der Badewanne bis zu Kochtöpfen alles was zur Hand ist, um bis zum nächsten Mal durchzuhalten.

Doch die Wassernot trifft nicht alle gleich. In den Villenvierteln wird das Wasser nur alle zwei Tage abgestellt. Dort merken die meisten Menschen von der Knappheit nichts. Sie haben große Behälter auf dem Dach. Gibt es Wasser, werden diese gefüllt. Der Inhalt reicht sogar, um täglich die Vorgärten zu bewässern. In den reichen Vierteln stört es keinen, dass die meisten Stauseen des Landes längst leer sind und manche Vororte Wasser nur noch aus Tanklastern erhalten. Der Wasserdruck reicht nicht mehr, um das gesamte Leitungsnetz zu versorgen.

Die katastrophale Lage ist das Ergebnis jahrelanger Trockenheit, aber auch mangelnder staatlicher Initiative. Algerien kann jährlich mit fünf Milliarden Kubikmetern Wassern rechnen. Der Bedarf jedoch ist doppelt so groß. Seit Jahren wird dennoch kaum in die Wasserversorgung investiert. Nicht nur für die Erschließung zusätzlicher Vorkommen fehlt das Geld, sondern auch für die Modernisierung der vorhandenen Infrastruktur.

Die Leitungen in den Städten sind marode. 40 Prozent des Wassers gehen so verloren. Auch in der Landwirtschaft wird viel Wasser vergeudet. Statt Flächenbewässerung, bei der große Wassermengen verdunsten, müsste auf die wesentlich sparsamere Tröpfchenbewässerung umgestellt werden. Doch auch dazu fehlt das Geld.

Außerdem kommt viel zu wenig Brauchwasser zum Einsatz. Denn von den 48 Kläranlagen, die in den 70er-Jahren errichtet wurden, funktionieren gerade einmal 20. Das restliche Abwasser geht ungeklärt in die Flüsse und von dort ins Meer. Und auf seinem Weg verunreinigt es das knappe Grundwasser.

Guter und vor allem schneller Rat ist teuer: Algier wird seit Frühjahr mit Wasser aus eiligst gebohrten Tiefbrunnen versorgt. Und das obwohl die Grundwasservorkommen in der Mitidja, der fruchtbaren Ebene zwischen Algier und Atlasgebirge, schon jetzt überlastet sind. So mancher wittert ein Geschäft: „Wenn Algerien es wünscht, werden wir Wasser mit Tankschiffen aus Marseille nach Algier schaffen“, erklärte der Chef der dortigen Wasserwerke vor kurzem. Der Preis läge wesentlich höher als der des einheimischen Wassers.

Doch auch die Lösung, auf die Algeriens Regierung jetzt setzt, ist mit Mehrkosten verbunden. In Oran wurde kürzlich eine Meerwasserentsalzungsanlage eingeweiht. 17 weitere kleine Entsalzungsanlagen sollen entlang der Küste folgen. Das hat die Regierung bereits beschlossen.

Doch auch das reicht nicht aus. Der Privatsektor wird erstmals in der Geschichte Algeriens einspringen müssen. Und der hat in Algerien einen Namen: Rafik Khalifa. Der Chef der ersten Privatbank und der ersten privaten Fluglinie des Landes will demnächst zwei Großentsalzungsanlagen aus Saudi-Arabien einführen. 200 Millionen Dollar kostet das Unterfangen. Das Geschäft mit dem Wasser scheint viel versprechend.

„Der Staat stützt den Wasserpreis, um den Bürgern zu helfen und gleichzeitig den Investoren einen vernünftige Rentabilität zu sichern“, verspricht Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika noch. Ein Sektor verdient sich bereits heute eine goldene Nase an der Trockenheit: die Hersteller von Mineralwasser. Seit Jahresbeginn schnellten die Verkaufszahlen um 30 Prozent nach oben.