: Geschlossen zu teuer
Finanzbehörde lehnt 90-Plätze-Konzept der Sozialsenatorin ab. Schon jetzt klafft bei „Hilfen zur Erziehung“ ein 4-Millionen-Euro-Loch. Ambulante Hilfen vor dem Aus
Das Konzept für geschlossene Heime befindet sich derzeit in der „Behördenabstimmung“ und stößt dabei auf unerwartet kritische Resonanz. Einem Bericht der Welt zufolge will die Finanzbehörde der Drucksache nicht zustimmen, „weil wesentliche Aussagen zu den finanziellen Auswirkungen fehlen“.
So sollen die Betriebskosten für die 90 Plätze zwischen 10 und 12 Millionen Euro jährlich verschlingen. Basis der Berechnung sind die 292 Euro, die eine „Rund-um-die-Uhr“- Betreuung in einer Jugendwohnung pro Tag kostet, zuzüglich der Investitionen für die Sicherung. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) will dies aus dem Etat der „Hilfen zur Erziehung“ (HZE) finanzieren. Brisant: Bei diesen Hilfen, auf die bedürftige Familien einen Rechtsanspruch haben, fehlen in diesem Jahr ohnehin schon 4 Millionen Euro. Hinzu kommt, dass die Sozialbehörde im Haushaltsjahr 2003 den Etat auf Vorjahresniveau von 128 Millionen Euro einfrieren und nochmal um sechs Prozent kürzen will. 2 der rund 8 Millionen Euro werden gespart, die übrigen 6 Millionen sollen in die offenen Angebote der Familienhilfe umgeschichtet werden.
„Dies geht zu Lasten der ambulanten Hilfen, wo man am schnellsten was wegnehmen kann“, warnt Uwe Mühling vom Diakonischen Werk. Von den 24 Millionen Euro für ambulante und teilstationäre Hilfen, so rechnet er vor, „bleibt fast nichts mehr übrig“.
Finanzbehördensprecher Burkhard Schlesies bestätigt, dass sein Haus auf „offene Punkte“ in der Finanzierung hingewiesen habe. So ist auch noch ungeklärt, woher die sieben Stellen des „Familien-Interventions-Teams“ (FIT) genommen werden sollen. Dies komme aber nicht einer endgültigen Ablehnung gleich. „Es gibt noch internen Diskussionsbedarf“, sagt auch Sozialbehördensprecherin Anika Wichert. Allerdings handle es sich bei geschlossenen Heimen um ein „Gesamtprojekt“ des Senats. Wichert: „Da muss man sich auch gemeinsam Gedanken über die Finanzierung machen.“
Insider vermuten, dass die Sozialsenatorin das Papier zum Anlass nehmen wird, Justiz- und Innenbehörde zur Mitfinanzierung zu bitten. So ist bereits im Konzept angedacht, dass die Justizbehörde zahlt, wenn durch die geschlossene Unterbringung U-Haft vermieden wird. Allerdings kommt die Justiz nur für belegte Plätze auf, nicht für deren Bereitstellung.
„Frau Schnieber-Jastram hat sich selber durch ihre völlig überzogenen Platzzahlen in die Bredouille gebracht“, sagt dagegen SPD-Politiker Thomas Böwer. Bundesweit gebe es nur 160 Plätze dieser Art mit „abnehmender Tendenz“. Böwers Prognose: „Schnieber-Jastram wird durch die Republik fahren und Kinder importieren. Wenn sie so eine Einrichtung schafft, will sie sie auch belegen.“ KAIJA KUTTER
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