piwik no script img

Der Staatsanwalt klagt

Generalstaatsanwalt Hansjürgen Klage will seine angekündigte Abwahl im Abgeordnetenhaus per einstweilige Anordnung verhindern. Momper muss sich heute äußern. Senat gibt sich gelassen

von STEFAN ALBERTI

Der äußerst umstrittene Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge hat seine Ankündigung wahr gemacht und versucht, sich mit einer Klage im Job zu halten. Mit einer einstweiligen Anordnung will er das Abgeordnetenhaus davon abhalten, ihn am 29. August auf Vorschlag des Senats abzuwählen. Ein entsprechender Antrag liegt beim Verwaltungsgericht vor. Sein Vorgehen ist nach Expertenschätzung bundesweit einmalig. „Ein Parallelfall ist mit nicht bekannt“, sagte der Berliner Verwaltungsrechtler Ulrich Battis der taz. Der Senat will sich von der Klage nicht beeindrucken lassen.

Karge, Chefankläger mit SPD-Parteibuch, soll vor allem nach Willen von Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) seinen Posten räumen. Vor zwei Wochen holte sie sich Rückendeckung im Senat, der dem Abgeordnetenhaus die Abwahl Karges vorschlug. Das soll in der ersten Parlamentssitzung nach der Sommerpause am 29. August geschehen.

Schubert hält das Vertrauensverhältnis zu dem 1994 vom Parlament auf Lebenszeit gewählten Karge für gestört. Gegenüber ihren Senatskollegen warf sie ihm zahlreiche Illoyalitäten und Eigenmächtigkeiten vor. Dazu gehört, dass Karge angeblich ohne Absprache mit Schubert den früheren Leiter der Sonderermittlungsgruppe Bankgesellschaft versetzte.

Eine Klage hatte Karge schon angedeutet, als Schubert ihn über Paragraf 25 des Landesbeamtengesetzes kaltstellen wollte, davon aber wieder Abstand nahm: Dieser Paragraf wird bei Korruption, Untreue oder ähnlich schweren Vergehen angewandt. Schuberts Vorgehen stieß allgemein auf Unverständnis. „Ich habe ihr gesagt, dass ich das für dilettantisch und tollpatschig halte“, sagt FDP-Fraktionschef Martin Lindner, selbst Jurist. Unabhängig davon hält er Karge für „eine schwierige Person mit fragwürdigen Aussagen“.

Im Roten Rathaus gibt man sich trotz Karges Klage gelassen. „Der Senat hat seine Entscheidung getroffen, und dabei wird es bleiben“, sagte Stadtentwicklungssenator Peter Strieder nach der gestrigen Senatssitzung.

Die Klage ging schon vergangene Woche ein, wurde aber erst gestern bekannt. Das Gericht hat Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) zu einer Stellungnahme bis heute Abend aufgefordert. Bis dahin werde sich Momper, der noch im Urlaub ist, gegenüber dem Gericht äußern, kündigte eine Sprecherin des Abgeordnetenhauses an.

Kommt es trotz Karges Klage zu einer Abstimmung im Parlament, können SPD und PDS den Generalstaatsanwalt aus eigener Kraft abwählen. Erforderlich ist lediglich die Mehrheit der Mitglieder, 71 Stimmen. Rot-Rot verfügt über 77 Mandate und kann zudem auf die uneingeschränkte Unterstützung durch die Grünen-Fraktion bauen.

Ihr Chef Wolfgang Wieland, zu Zeiten der rot-grünen Koalition sieben Monate Justizsenator, macht Karge verantwortlich „für die unerträgliche Atmosphäre innerhalb der Staatsanwaltschaft“. Nachwuchskräfte würden die Anklagebehörde wegen Karge meiden: „Die müssen sie mit dem Lasso einfangen“, sagte Wieland.

Eine Sondersitzung des Rechtsausschusses, der vor dem 29. August tagen und Karge anhören soll, hält Wieland für überflüssig: Man kenne Karge zur Genüge. Anders CDU und FDP, die sich erst nach der Ausschusssitzung festlegen wollen, ob sie die Abwahl mittragen. „Die Union könnte sich ausreichend bei Eberhard Diepgen informieren“, erinnert Wieland daran, dass schon der frühere Regierende Bürgermeister und CDU-Chef Karge loswerden wollte.

Wieland hält zudem das Verfahren der Karge-Klage für problematisch, die das Abgeordnetenhaus von einer Entscheidung abhalten soll: „Wenn man das Fass einmal aufmacht, dann entscheidet in Zukunft das Verwaltungsgericht über die Tagesordnung der Parlamente – und das ist mit Gewaltenteilung nicht zu vereinbaren.“ Entscheidet das Gericht zugunsten von Karge, geht er davon aus, dass Parlamentspräsident Momper dagegen Beschwrede einreicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen