: Das Ende der Provinz
Am Wochenende startet der Spielbetrieb in den Fußballbundesligen. Der Lübecker Coach Dieter Hecking hofft auf ein nörgelfreies Umfeld
von TORSTEN HOPPE und OKE GÖTTLICH
Für einen Aufsteiger in die 2. Bundesliga befindet sich der VfB Lübeck auf einem guten Weg, der zweithöchsten Spielklasse länger erhalten zu bleiben. Nicht zuletzt aufgrund des zielstrebigen Engagements von Trainer Dieter Hecking (39) gehören vergangene Provinzpossen nicht mehr zum grün-weißen Alltag. 1995 schafften die Lübecker bereits einmal den Sprung in die 2. Fußballetage. Nach zwei Jahren ging es wieder in die 3. Liga. Mit einem Etat von 6,5 Millionen Euro und zehn neuen Spielern startet der VfB am Sonntag gegen Oberhausen in die Saison.
taz hamburg: Herr Hecking, kann man Sie ernst nehmen?
Dieter Hecking: Warum?
Am Ende der vorigen Saison hieß es, Sie wollten im Aufstiegsfall den bestehenden Kader behalten. Nun sind zehn neue Spieler gekommen.
Na ja, nach dem Aufstieg hat sich abgezeichnet, dass uns sechs von 19 Spielern verlassen werden. Da bestand Bedarf. Schließlich wollten wir uns auch sportlich verstärken.
Also hatten Sie sich schon länger einige Spieler ausgeguckt?
Ja, während der vergangenen Saison habe ich mir einen Überblick verschafft, welche Spieler zu uns passen würden – und außer Jens Rasiejewski (FC St. Pauli, d. Red.) auch alle bekommen. Ich arbeite langfristig. Selbst wenn ich jetzt mit dem Team sehr zufrieden bin, denke ich bereits an Probleme, die kommen könnten.
Unmittelbar haben Sie demnach keine Probleme. Auch nicht mit dem Klassenerhalt?
Das Wort Klassenerhalt mag ich nicht. Wir wollen schnell 42 Punkte holen. Gelingt das und wir steigen nicht ab, haben wir eine gute Saison gespielt.
Das entspricht aber nicht Ihren Ansprüchen.
Meine eigenen Ziele siedele ich höher an. Ich will die Mannschaft nicht unter Druck setzen, glaube aber schon, dass wir überraschen können.
Klingt so, als ob sich das nervöse Umfeld auf eine erfolgreiche Saison freuen darf.
Es wird auch Rückschläge geben. Es wird passieren, dass wir vier oder fünf Spiele in Folge verlieren. Als Aufsteiger wird man Lehrgeld zahlen.
Stellen Sie sich schon auf Krach nach der ersten Pleitenserie ein?
Wer klar denken kann, glaubt nicht ernsthaft an Platz fünf oder sechs. Stehen wir am Ende wirklich dort, muss alles optimal gelaufen sein. Nicht nur sportlich, sondern auch im Umfeld. Interne Querelen müssen wir vermeiden. Im Aufstiegsjahr hatten wir genug kontroverse Gespräche.
Die werden sich kaum vermeiden lassen.
Es darf ruhig Kritik geäußert werden. Das kann sogar förderlich sein. Vorausgesetzt, es geschieht intern.
Als Trainer des VfB Lübeck sollte man demnach auch abseits sportlicher Belange einen ausgeprägten Teamgeist mitbringen?
Der Zusammenhalt beim VfB war in der vergangenen Saison der Schlüssel zum Erfolg. Dem Platzwart haben wir einen Golfschläger geschenkt, nachdem er den Rasen perfekt präpariert hat. Solche Dinge sind wichtig für die nötige Harmonie.
Wie steht es um die Harmonie innerhalb der Mannschaft? Zehn Spieler müssen integriert werden, kaum einer wird gekommen sein, um nicht zu spielen.
Unter den Neuzugänge hat unser Teamgeist nicht gelitten. Ganz im Gegenteil. Er wird uns auch in dieser Saison stark machen. Ich habe bei der Verteilung der Zimmer alte und neue Spieler gemischt, das Übrige hat die Mannschaft selbst geregelt.
Aber doch nicht etwa das System?
Nein, aber auch ich bin kein Freund von festgelegten Systemen. Wir sind durch unsere Zugänge variabler geworden. Viele Spieler können verschiedene Positionen ausfüllen.
Variabilität heißt aber auch, dass es keine Stammformation geben wird?
Gewisse Wechsel in einer Saison sind normal, was nicht heißt, dass es zur Rotation kommt. Jedem muss nur klar sein, dass er mal auf der Bank sitzen kann. Am Sonntag kommt RW Oberhausen ...
... und wird uns das Leben schwer machen. Es gibt Leute, die diskutieren schon die Höhe unseres Sieges. Wir wissen jedoch, dass RWO eines der besten Rückrundenteams der vergangenen Saison war.
Da war der VfB noch Regionalligist.
Sie können sich nicht vorstellen, wie froh alle sind, dass wir diese Liga verlassen haben und hoffen, dass wir dort so schnell nicht mehr spielen müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen