: sommerkrimi
Folge 17
Irgendwer hatte schon den Mond vom Himmel gepflückt, um ihn gegen eine ebenso ahnungslose Sonne einzutauschen, als Pieter Lund hinter Nora in ihrem Badezimmer stand, drei Häuserblocks von seiner Dachwohnung entfernt. Sie hatte noch die Zahnbürste in der Hand, als er ihr den Slip auszog und ihr linkes Bein auf die Klobrille stellte. Dann umfasste er ihre beiden Hände, stützte sich mit ihnen in der Höhe ihres Kopfes an der Badezimmerwand ab und drang in sie ein. Immer und immer wieder, als suchte er tief in ihr drinnen verzweifelt nach einer Bestätigung, dass er noch am Leben war.
*
23.00 Uhr
George klingelte in der Wohnung in der Heinrichstraße. Seine alte Jugendwohngemeinschaft. Harry wohnt ganz sicher noch hier, dachte er, mal sehen, wer noch von den alten Kumpels.
„Hey, Alter! Ich denk, du machst Holidays auf Mallorca? Das ist ja ‚ne Überraschung! _ Hallo!“
Harry reichte Lennie die Hand.
„Ich bin Harry. Kommt rein.“
„Lennie.“
Lennie griff Harrys Hand mit beiden Händen, grinste breit, schüttelte sie übermäßig und vergaß sie wieder herauszurücken.
„Wir haben die Flatter gemacht.“
Plötzlich blickte George nervös um sich. “Die Alte ist doch nicht zufällig da?“
„Du meinst die Hermstedt? Die macht die Betreuung nicht mehr. Wir haben jetzt ‚nen Typen. Hans Bierfeld. So‘n junger, forscher, weißt schon, mit ‘nem Ohrring, obwohl er gar nicht schwul ist.“
Harry lachte und entzog Lennie die Hand mit einem Ruck.
„Ist aber ganz okay. Er kommt in der Regel montags und freitags. War gestern gerade da, mach dir mal nicht ins Hemd.“
Aus Georges Gesichtszügen war die Anspannung schon wieder gewichen, er lehnte sich mit dem Unterarm an die Türfüllung.
„Dann können wir ja zumindest ein, zwei Tage bleiben, oder? Wir müssen ‘n paar Sachen klarkriegen. Außerdem wär ‘ne Dusche auch mal ganz nett.“
Harry schob seinen Besuch in die Wohnung und warf die Tür ins Schloss.
„Wird schon irgendwie gehen. Geht mal hinten durch ins Wohnzimmer, ich stell euch den anderen vor, hängen alle vor der Glotze. Da sind doch irgendwelche Spinner in New York in dieses Riesenhochhaus mit Flugzeugen reingeflogen.“
Lennie und George gingen den Flur entlang auf das Zimmer ganz am Ende zu, aus dem das TV-Flackern kam.
„George! Wo kommst du denn her?“
Tim war der einzige, den George noch kannte.
Dann waren da noch zwei neue Mitbewohner. Harry stellte sie als Jona und Sammy vor. Im Sessel gegenüber den zwei Couchen lag ein Gast. Er war eingenickt.
„Der Typ da ist zu Besuch. Grad mal mittelprächtig bekifft. Sammy macht mit ihm Musik. Aber keine Angst, der ist in Ordnung. Heißt Jakob.“
Harry grinste hinterhältig. „Kifft in letzter Zeit ‘n bisschen viel. Muss wohl an den Familienverhältnissen liegen“, er lachte trocken und kurz, bevor er hinzufügte: „Sein Vater ist Bulle.“
Vorabdruck aus Holger Biedermann, Von Ratten und Menschen, Kriminalroman, erscheint am 28.8. bei Edition Nautilus Hamburg, 192 S., 12,90 Euro, © Edition Nautilus
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