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Dieses gemischte Gefühl

Vier Hochzeitswochen, ein Sorgenfall: Das türkische Ensemble um Hüsnü Șenlendirici beendete einen Monat voller Heiratsklänge im Tempodrom. Wie es mit dem Festival weitergeht, steht in den Sternen

Von DANIEL BAX

Hochzeitsfeste waren stets ein teures Vergnügen. Drum prüft, wer sich längerfristig bindet, auch erst einmal die Finanzlage: Nicht wenige Familien haben sich schließlich schon mit extravaganten Ehefeiern ruiniert. Auch dem „Heimatklänge“-Festival könnte es jetzt so ergehen. Nach einem guten Monat voller „Heiratsklänge“ steht jetzt der Kassensturz bevor. Dann wird man sehen, ob die vier wechselhaften Wochenenden, an denen namhafte Hochzeitsorchester aus aller Welt das neue Tempodrom bespielten, mit gemischten Gefühlen ausklingen. Oder mit einem Offenbarungseid.

Am Samstagabend schien es immerhin, als sei das Konzept noch einmal aufgegangen: Unter weißen Partyzelten auf der Dachterrasse des Tempodroms feierte da eine große Hochzeitsgesellschaft die Heirat eines türkischen Paars, zweier Schauspieler aus dem Berliner Tiyatrom-Theater, mit schlichtem Zeremoniell. Ab und zu schritt ein Freund des Paares mit einer Flüstertüte durch die Reihen und gab bekannt, was nun als nächstes folgte, die Eröffnung des Büffets oder die Begrüßung des Brautpaars. Und irgendwann wies er fast beiläufig darauf hin, dass unten im Saal gerade das Orchester um Hüsnü Șenlendirici und Bergamali Tayfa zu spielen begonnen habe. Ein Teil der Gäste bewegte sich daraufhin die Treppe hinab in die dunkle Arena.

Dort hatte das 11-köpfige Ensemble auf der Bühne Platz genommen, vollständig in Schwarz gekleidet und allesamt sitzend. Bedächtig begann es schließlich mit getragener orientalischer Kunstmusik, der osmanischen Klassik entlehnt, die sich aber bald in ein rauschhaftes Tempo emporzwirbeln sollte. Schließlich trägt Hüsnü Șenlendirici, Klarinettist und Kopf der Gruppe, die Qualifikation zum Entertainer schon in seinem Nachnamen: Der nämlich bedeutet so viel wie „Der, der zum Feiern zu animieren weiß“.

In der Region um Bergama, dem antiken Pergamon an der Ägäisküste, ist der Name ein Markenzeichen. Dort nämlich hat die Roma-Familie, deren Erbe Hüsnü Șenlendirici weiterführt, schon seit Generationen zu Hochzeiten aufgespielt, für Griechen, Türken und andere Klienten. Schon sein Großvater allerdings erlangte über diese Gegend hinaus Ruhm, weil er als Trompeter auch an Konzerten und Plattenaufnahmen in Istanbul beteiligt war. Sein Enkel Hüsnü, der am Konservatorium in Istanbul studiert hat, ist nun im traditionellen Repertoire genauso firm wie in westlichen Stilen, von Jazz bis Klassik. Folglich streifte er mit seinem Orchester nicht nur durch den reichen Fundus anatolischer Rhythmen, sondern gestattete sich auch viele Ausflüge und Variationen.

Das war, trotz des obligatorischen Auftritts einer Bauchtänzerin, natürlich weitaus anspruchsvoller und virtuoser als das, was man üblicherweise auf türkischen Hochzeiten in Berlin zu hören bekommt, wo die Musik häufig in satter Keyboard-Soße und lärmendem Hall ertrinkt, oder sich auf Davul und Zurna reduziert. Die Stimmung im Saal aber war durchaus vergleichbar: Schon nach kurzer Zeit wogte die Menge in glücklichem Gleichklang, die Mütterchen mit Kopftuch neben ihren Töchtern und Söhnen, die auch gerne mal ins „Gayhane“ gehen, dem schwullesbischen Club im SO 36. Deren Abgesandte, DJ Ipek und ihre Transen-Kollegin Fatma Souad mit blonder Perücke, waren schließlich auch vor Ort, und führten als Ansager durch den Abend. Anschließend sorgten sie im Clubraum des Tempodroms noch für den passenden Ausklang, mit türkischem Party-Pop.

So zeigte sich zum Abschluss der „Heimatklänge“ noch einmal, was einst die Qualität dieses Festivals ausgemacht hat. Ob die traditionsreiche Konzertreihe aber noch eine Zukunft hat, hängt nicht zuletzt davon ab, ob der Senat dafür noch einmal Subventionen bewilligt oder sich ein kulanter Sponsor findet.

Entscheidend wird aber auch sein, ob die Veranstalter aus den Fehlern diesen Jahres lernen und die „Heimatklänge“ wieder an einen Ort verlegen, an denen sie zu niedrigeren Eintrittspreisen finanzierbar sind und unter freiem Himmel stattfinden können. Vielleicht muss dafür auch die Zwangsehe mit dem neuen Tempodrom aufgelöst werden.

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