Ganz ohne Ironie

Unkonzentriert zusammengestelltes Programm erstmalig im Grindel-Kino: Beim 16. Fantasy Filmfest ist für Zuschauer eine strenge Auswahl angesagt

von HOLGER RÖMERS

„Manchmal trotzt die Wahrheit der Vernunft.“ So lautet eine Hypothese, auf die Horror- wie auch Science Fiction-Filme und Thriller sich gerne berufen. Folgerichtig vergehen im Eröffnungsfilm des 16. Fantasy Filmfests, das diesen Genres gewidmet ist, denn auch nur wenige Minuten, bis die Hauptfigur jenes Credo formuliert. Allerdings meldet sich in Frailty bald auch eine Stimme skeptischer Vernunft: Ob er denn nicht einfach verrückt geworden sei, gibt ein Junge seinem Vater zu bedenken, nachdem der die beiden Söhne mit der Nachricht aus dem Schlaf geschreckt hat, dass soeben ein Engel sie dazu auserkoren habe, Dämonen zu vernichten.

Frailty ist Beispiel für eine aktuelle Tendenz im Horrorkino, aus Selbstreflexivität nicht zwangsläufig einen ironischen Grundton abzuleiten. Hauptdarsteller Bill Paxton spielt in seinem Regiedebüt untergründig mit Popkultur-Versatzstücken: Sie seien so etwas wie Superhelden, bestätigt der religiöse Vater seinem Jüngsten, während der andere Sohn sich von einer TV-Puppentrickserie über die Grenzen menschlicher Autonomie aufklären lässt. Gleichwohl ist der Stoff mit so entwaffnendem Ernst umgesetzt, dass man Paxton sogar die forcierte Schlusswendung nachsieht.

Relativ ernst ist auch Horror Hotline ... Big Head Monster inszeniert, der neben dem neuen Werk von Takashi Miike, Ichi the Killer, und Johnnie Tos Fulltime Killer, in der „Focus Asia“-Reihe zu sehen ist. Zwar setzt Cheang Pou Soi sein Sujet ebenfalls in Anführungszeichen, wenn das Grauen als urbane Legende in einer Call-in-Radioshow seinen Lauf nimmt. Allerdings entwickelt der Film eine für Hongkonger Horror-Produktionen ungewöhnliche atmosphärische Dichte, die der banalen Handlung um ein mysteriöses Mutantenbaby kaum zuzutrauen wäre.

Ganz und gar nicht ernst nimmt sich dagegen 51st State, der dem britischen Trend poppig-zynischer Gangsterfilme nacheifert. Als ein Amerikaner (Samuel L. Jackson) nach Liverpool reist, um dort eine neue Wunderdroge auf den Markt zu werfen, kommen ihm Skins, eine Killerin und sein ehemaliger Auftraggeber in die Quere. Das Ergebnis ist ein belangloser Reigen, für den der Hongkonger Regisseur Ronny Yu immerhin jene Oberflächenreize in Perfektion aufbietet, die das Kino der ehemaligen Kronkolonie auszeichnete.

Ähnlich stilisiert, wenngleich wesentlich beschaulicher ist das Debüt des renommierten Musikvideo-Regisseurs Mark Romanek geraten. In Abkehr von seinem Image spielt Robin Williams in One Hour Photo einen psychotischen Fotolaboranten, der sich anhand von im Kundenauftrag entwickelten Bildern in den wahnhaften Wunsch steigert, einer scheinbar perfekten Kleinfamilie anzugehören. Die einfache Story erzählt Romanek nicht zuletzt mit den Mitteln einer sorgfältigen Ausstattung und einer konsequenten Farbdramaturgie, während Off-Kommentare uns einreden wollen, es hätte die Schnappschuss-Ästhetik etwa eines Wolfgang Tillmans nie gegeben.

Schließlich bietet das Fantasy Filmfest traditionell auch eine Nische für Trash. Zum Beispiel mit Machwerken wie They Crawl, in dem eine Heerschar von Kakerlaken für brutale Morde verantwortlich ist. Etwaige Ironie stellt sich bei solchen Billigfilmen erst durch die Einstellung des Betrachters her. Wenn auf dem Fantasy Filmfest auch jenen Streifen, die vom internationalen Kinomarkt längst in Videotheken und auf Kabelkanäle verbannt worden sind, eine große Leinwand zur Verfügung steht, zeugt das immerhin von einer besonderen Cinephilie.

Frailty: morgen, 20.30 Uhr + 22.45 Uhr; Horror Hotline: Fr, 16.8., 20.30 Uhr; Fulltime Killer: Sa, 17.8., 14 Uhr; One Hour Photo: Sa, 17.8., 18.15 Uhr; Ichi the Killer: So, 22.45 Uhr; 51st State: Mo, 19.8., 22.45 Uhr, They Crawl: Di, 20.8., 16 Uhr, Grindel; weitere Filme siehe www.fantasyfilmfest.com