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Die Amnestie war nicht so gemeint

Regierung verwickelt sich bei Angeboten für Steuersünder in Widersprüche. „Kein Bonus“ – aber Zinsbefreiung?

FREIBURG taz ■ Die Bundesregierung will Steuerhinterzieher auch künftig nicht besser stellen als steuerehrliche Bürger. Es werde „keinen Bonus“ für diejenigen geben, die Auslandskapital nach Deutschland zurückbringen, sagte Regierungssprecher Heye gestern. Im jüngsten Spiegel hatte Bundeskanzler Schröder erklärt: „Ich lasse über eine Amnestie mit mir reden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.“

Heye rückte das nun zurecht. Der Begriff „Amnestie“ passe nicht auf das Vorhaben des Kanzlers, „er will nur, dass Geld in Leipzig arbeitet und nicht in Liechtenstein modert.“ Unklar blieb allerdings, wie das heimlich ins Ausland transferierte Kapital nach Deutschland zurückgelockt werden soll. „Darüber denken wir im Moment intensiv nach“, hieß es im Kanzleramt.

Auf Steuerhinterziehung stehen fünf Jahre Haft oder saftige Geldstrafen. Doch schon seit Jahrzehnten hat jeder Steuersünder die Möglichkeit, straflos zu bleiben, wenn er sich rechtzeitig selbst anzeigt. Rechtzeitig heißt: bevor die Tat entdeckt ist oder der Steuerfahnder schon an der Haustür steht. Die hinterzogenen Steuern müssen dann allerdings vollständig (und zwar für die letzten 10 Jahre) nachgezahlt werden. Außerdem erhöht sich dieser Betrag noch um 6 Prozent Hinterziehungszinsen.

Nach Angaben der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DStG) machten im Jahr 2000 rund 48.000 Steuerhinterzieher von dieser Möglichkeit Gebrauch. Die Gewerkschaft schätzt, dass dabei Steuern in Höhe von rund 750 Millionen Euro nachgezahlt wurden. In normalen Jahren gab es in der Regel nur rund 15.000 Selbstanzeigen. Nach der Durchsuchung zahlreicher Banken waren aber viele Steuerbetrüger nervös geworden.

Wie aber können Selbstanzeigen attraktiver werden, ohne dass es einen finanziellen Bonus gibt? Nahe liegend ist ein Trick: Es wird auf vollständige Nachzahlung der Steuern bestanden, aber Hinterziehungszinsen erlassen. „Das ist zwar faktisch auch ein Bonus, aber damit könnten wir noch leben“, sagt Dieter Ondracek von der Steuergewerkschaft, die sonst streng auf Gleichbehandlung achtet.

Doch selbst wenn künftig die Zinseinkünfte des deutschen Fluchtkapitals wieder in der Steuererklärung angegeben und damit versteuert werden, kommt das Kapital selbst deshalb nicht nach Deutschland zurück. In Zeiten der Kapitalmarktfreiheit kann jeder sein Geld da anlegen, wo er will – auch in Liechtenstein. Die von der Hartz-Kommission geplanten „Job-Floater“-Anleihen, die auch steuerehrlichen Bürgern offen stehen, müssen daher noch einen eigenen Anreiz haben. Vermutlich wird er darin bestehen, dass die Zinsen aus der Anleihe steuerfrei bleiben. Möglicherweise ist das aber nur ein psychologischer Anreiz – wenn die Floater-Zinsen niedriger sind als die Zinsen gewöhnlicher Staatsanleihen. CHRISTIAN RATH

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