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Versicherer sichern ihr Eigenleben

Deutsche Lebensversicherungen schließen Krisengemeinschaft wegen der Verluste aus den Aktiengeschäften. Bei Pleite eines Unternehmens wären die betroffenen Verträge aufgehoben. Verbraucherschützer sehen keine akute Gefahr für die Kunden

von KATHARINA KOUFEN

Die Lebensversicherer sorgen vor. Um den Zusammenbruch einzelner Unternehmen zu verhindern, hat sich die Branche am Montagabend auf eine Pool-Lösung geeinigt – wohlwissend, dass ein einziger Bankrott ein gewaltiger Imageschaden für die gesamte Assekuranz bedeuten würde. Im Fall einer drohenden Insolvenz soll eine Auffanggesellschaft einspringen und den Kunden des zahlungsunfähigen Versicherers ihre garantierten Beträge auszahlen. Alle Lebensversicherer sollen an einer solchen Rettungsaktion im Verhältnis ihrer Marktanteile beteiligt werden. Vertreter der Branche wollen morgen die rechtlichen Details erörtern.

Der Grund für die schlechte Stimmung bei der Assekuranz ist die Talfahrt der Aktienmärkte. Jeder zweite der bundesweit 123 Lebensversicherer gab in einer Umfrage an, die Situation an den Börsen bereite derzeit die größten Probleme. Insgesamt haben die Lebensversicherungen in Deutschland Kapitalanlagen im Wert von rund 540 Milliarden Euro. Die Hälfte der Deutschen hält mindestens eine Lebensversicherung, insgesamt sind es 90 Millionen Verträge. Lebensversicherungen, die im Todesfall oder aber nach Ende der Laufzeit als Rente oder einmalige Summe ausgezahlt werden, gelten als sicherste Geldanlage.

Bis zu 30 Prozent ihres Kapitals dürfen Versicherer in Aktien anlegen, rechnet man noch Fondsbeteiligungen mit ein, sogar bis zu 35 Prozent. Sinkende Kurse führen daher zu beträchtlichen Verlusten bei den Versicherungsunternehmen, die während des Aktienbooms gerne mit hohen Renditen lockten.

„Der Wettbewerb um neue Kunden hat zu überzogenen Renditeversprechen geführt“, kritisiert Wolfgang Scholl, Versicherungsreferent beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Sechseinhalb bis siebeneinhalb Prozent waren in letzter Zeit normal.“ Realistisch seien dagegen auch zu Boomzeiten um die fünf Prozent gewesen, „zurzeit sicherheitshalber nur viereinhalb Prozent“. Auch Reiner Will vom Branchenbeobachter Assekurata meint: „Wir müssen uns davon verabschieden, dass eine Lebensversicherung immer risikolos 7,5 Prozent bringt.“

Medienberichten zufolge sollen einige Versicherer nicht einmal mehr in der Lage sein, den Mindestzins von 3,25 Prozent zu zahlen. Diese Rendite ist garantiert, was darüber hinausgeht, stammt aus der Überschussbeteiligung. Die gibt es allerdings nur, wenn die Versicherung Gewinne erzielt. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) beeilte sich, dies zu dementieren. „Trotz der gegenwärtigen Schwäche werden die Lebensversicherer ihre Verpflichtungen ohne weiteres erflüllen“, sagte Präsident Bernd Michael am Montagabend in Frankfurt.

Geht tatsächlich ein Versicherer Pleite, enden per Gesetz sofort alle Verträge. „Dann soll der Deckungsstock die vertraglich garantierten Leistungen sicherstellen“, erklärt GDV-Referent Stephan Gelhausen. Dem Versicherten sollte dann derjenige Teil seiner Beiträge, der angespart wird, sicher sein. Das sind rund 80 Prozent, verzinst mit dem Mindestsatz von 3,25 Prozent. Die restlichen 20 Prozent sind dagegen weniger sicher. Sie werden von der Versicherung zur Risikoabdeckung genutzt. Gelhausen: „Es gibt ja auch Menschen, die sterben kurz nach Abschluss der Versicherung und erhalten die volle Summe, obwohl sie kaum eingezahlt haben.“

Verbraucherzentralen halten Lebensversicherungen trotz der schlechten Stimmung nicht für riskant. „Man sollte natürlich nie nur auf ein Pferd setzten“, rät Scholl. „Schauen Sie sich ihr Unternehmen genau an, bevor Sie einen Vertrag unterzeichnen.“

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