piwik no script img

Rauschen statt Samba

Keine Entwarnung in Wien, in Salzburg entspannt sich die Lage

WIEN taz ■ Nach Mitternacht sei der Kollege noch einmal mit dem Auto losgefahren, um nach dem Rechten zu sehen, berichtet Hermann Sandmeier, der Leiter der Bezirksfeuerwehr Eferding mit gebrochener Stimme. Erst in der Früh sei dann das Fahrzeug samt Leichnam aus dem Wasser gezogen worden, so Sandmeier, der am Rand eines riesigen Sees steht, in dem die Gemüse- und Rübenernte hunderter Bauernfamilien verschwunden ist. Die halbe Nacht waren die Einsatzkräfte mit Zillen und Motorbooten unterwegs gewesen, um die Menschen aus den tiefer gelegenen Häusern und Gehöften ins Trockene zu bringen. Stündlich stieg das Wasser um weitere 20 Zentimeter an.

In Österreich ist die Zahl der Opfer inzwischen auf mindestens vier Menschen angewachsen. Während die Stadt Ybbs an der Donau in der Nacht zu Dienstag überflutet wurde, kämpfte man 50 Kilometer flussabwärts in Grafenwörth mit neuen Überschwemmungen. Dort entsteht an der Mündung des Kamps, der aus dem Waldviertel herunterschießt, ein enormer Rückstau, weil der Pegel der Donau inzwischen so hoch ist. Keine Rede von Entwarnung war auch im nördlichen Waldviertel, wo zwar der Kamp erste Anzeichen des Abschwellens zeigte, aber im Thayatal ein neues Flutgebiet entstand, als die Thayakraftwerke in Tschechien ihre Schleusen öffneten.

In Wien waren die Betreiber der Vergnügungslokale an der so genannten Copa Kagrana am Ufer der Donauinsel rechtzeitig vorgewarnt. Sie konnten Möbel und Getränke bergen, bevor die Donau in die fest vertäuten Bars eindrang. Wo sonst um diese Jahreszeit Samba und Salsa getanzt wird, hörte man nur noch Gurgeln und Rauschen. Wohngebiete seien in Wien nicht gefährdet, versicherte das Rathaus.

Während in Wien und Niederösterreich auch nach dem Nachlassen des Regens die Pegel weiterhin stiegen, zeichnete sich in Salzburg ein Ende des Ausnahmezustands ab. Noch am Montag hatten nur wenige Zentimeter gefehlt, dass die Salzach die barocke Altstadt unter Wasser gesetzt hätte. Dann kehrte sie binnen weniger Stunden nahezu auf ihr normales Niveau zurück. Die Festspiele sind gerettet. José Carreras musste sein Konzert nicht absagen.

In der oberösterreichischen Stadt Steyr fühlte sich ein älterer Einwohner an die Zerstörungen nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert, als das Hochwasser Dienstag langsam aus dem Stadtkern wich und die Opfer der Flutkatastrophe sich daranmachten, ihre Häuser vom Schlamm zu reinigen. Die Flutwelle, deren Eintreffen man in der Nacht befürchtet hatte, war ausgeblieben, die Enns sank wieder auf ein ungefährliches Niveau von unter fünf Metern, und erste Sonnenstrahlen fielen auf die noch immer teilweise unter Wasser stehende Stadt.

Inzwischen wurden erste Hilfsgelder für die Geschädigten freigegeben. Wirtschaftsminister Bartenstein hat eine Soforthilfe von 100 Millionen Euro für die Wirtschaft bewilligt. Der direkte Schaden für die Industrie ist zwar vergleichsweise gering, doch hunderte Betriebe sind durch Produktionsausfälle, Markteinbrüche oder das Ausbleiben von Touristen empfindlich betroffen. Versicherungszahlungen, Zuwendungen aus dem Katastrophenfonds und die großzügig fließenden privaten Spenden werden nur einen Bruchteil des vom Hochwasser verursachten Schadens decken können. RALF LEONHARD

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen