US-Präsident kompetenzschwach

Wie George Bush auf seinem Wirtschaftsforum die US-Wirtschaft gesundzureden versuchte und wieder einmal scheiterte. Wall Street nimmt sein Kompetenzteam kaum noch ernst – was nicht zuletzt an der widersprüchlichen Politik der Regierung liegt

aus New York NICOLA LIEBERT

Der erfolgreich geführte Krieg katapultierte Präsident George Bush in der Popularitätswertung weit nach oben. Doch das Abgleiten der Wirtschaft in eine Rezession kostete ihn die Wiederwahl. Dasselbe Schicksal, das Bush den Älteren nach dem Golfkrieg ereilte, muss jetzt auch der Sohn befürchten. Nach dem Feldzug in Afghanistan erreichte George W. zwar nie da gewesene Zustimmungsraten. Aber der Zeitlupencrash an der Wall Street und die Angst vor einer erneuten Rezession könnten den Republikanern zumindest bei den Kongresswahlen im November empfindliche Verluste bringen.

Mit einer großen Wirtschaftstagung versuchte Bush nun gegenzusteuern. Das Ziel: Wenn er schon keinen Aufschwung bis zum November hinkriegt, so will er doch wenigstens die volkswirtschaftliche Kompetenz seiner Regierung endlich unter Beweis stellen. Hochkalibrige Unternehmer und Wirtschaftsexperten sowie der Vollständigkeit halber ein paar Gewerkschafter, Arbeitnehmer und Selbstständige rief der Präsident dazu am Dienstag zu sich nach Waco, in die Nähe seiner Ranch in Texas. Auch der Proporz bei Schwarzen, Hispanics und weißen Frauen war gewahrt.

Bislang musste Bush die Erfahrung machen, dass man mit warmen Worten allein die Wirtschaft nicht zum Wachsen und die Börsenkurse nicht zum Steigen bringt. Wenn er in den letzten Monaten an die Öffentlichkeit ging, um zu verkünden, dass mit der Wirtschaft alles bestens sei, quittierte die Wall Street die hohlen Phrasen unweigerlich mit fallenden Kursen. Sein Wirtschaftsteam – Finanzminister Paul O’Neill, der wirtschaftspolitische Berater Lawrence Lindsey und Haushaltsdirektor Mitchell Daniels – wird nicht mal mehr in der republikanischen Partei so richtig ernst genommen. Vizepräsident Dick Cheney, der als Exvorstandschef des Ölkonzerns Halliburton ökonomische Kompetenz in die Regierung bringen sollte, hält sich wohlweislich im Hintergrund, seit die Börsenaufsicht die Buchführung der Firma in Frage stellt.

Die Wirtschaftspolitik der Regierung gilt unterdessen bestenfalls als widersprüchlich. Einerseits propagiert sie Freihandel und freie Marktwirtschaft, anderseits beschloss sie protektionistische Zölle gegen Stahlimporte und die größten Agrarsubventionen aller Zeiten. Zugleich reißt sie durch Steuersenkungen und Ausgaben für Rüstung und innere Sicherheit riesige Löcher in den Etat.

Bush wich in Waco von seinem einmal gewählten Kurs jedoch nicht ab: „Ich bin unheimlich optimistisch für die Zukunft dieses Landes“, sagte er den rund 250 Teilnehmern des Wirtschaftsforums. Was die vielen Unternehmensskandale anbelangt, die das Vertrauen der Investoren zerstörten, schiebt Bush die Verantwortung auf die Privatwirtschaft: Die Unternehmen sollen sich selbst strengere Regeln geben.

Demokratische Politiker taten das Wirtschaftsforum als Wahlkampfveranstaltung ab. Vor allem Großunternehmer und Großspender an die republikanische Partei versammelten sich hier. Deren Zustimmung zu republikanischen Glaubenssätzen wie der Privatisierung der Rentenversicherung und der Abschaffung der Erbschaftssteuer war Bush gewiss. Selbst das konservative Wall Street Journal zitierte da genüsslich einen ehemaligen Wirtschaftsberater des alten Bush: „Reine Zeitverschwendung.“

Die Wall Street, die enttäuscht war, dass die Notenbank anders als von vielen gehofft die Zinsen nicht herabsetzte, reagierte am Mittwoch wie immer, wenn Bush sich zur Wirtschaft äußert: mit fallenden Kursen.