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Angeregt vom antiken Weltwunder

Im September wird der BDA-Preis Bremen für vorbildliche Bauten im Land Bremen vergeben. Grund für die taz, in einer kleinen Folge auf die bisherigen Preise und damit auf ein Stück lokaler Architekturgeschichte zurückzublicken. Heute (5) BDA-Preis 1990: Ganz leicht deutet sich die Zweite Moderne an

Der Leuchtturm von Pharos lieferte die Vorlage für den Bremer Fallturm

Was zeichnete um 1990 die internationale Architekturentwicklung aus? Deutlich war ein Abebben der postmodernen Formensprache festzustellen. Die eher defensive Haltung des vorangegangenen Jahrzehnts wurde Stück für Stück durch ein neues Selbstbewusstsein ersetzt.

Architekten wie Frank O. Gehry, Rem Koolhaas, Renzo Piano, Norman Foster und Jean Nouvel avancierten mit spektakulären Bauten zu Stars der Branche. Sie leiteten ein Jahrzehnt ein, in dem die Architektur von einigen Kritikern sogar zum neuen Leitmedium hochgejubelt wurde. Nicht ganz unberechtigt – denn im Marketing der Städte spielten spektakuläre Bauwerke als Standortfaktoren eine immer größere Rolle.

Das galt für Bremen nur begrenzt. Im kleinsten Bundesland gedieh eine lebhafte Fachdiskussion nur selten und Innovationen waren rar. Der Wandel der Formensprache vollzog sich hier mit Verzögerung. So machte auch das Ergebnis des BDA-Preises 1990 vor allem eines deutlich: In Bremen wurde auf Kontinuität gesetzt. Ein gelegentliches, vorsichtiges Ausprobieren neuer architektonischer Möglichkeiten hatte gute Chancen, gleich mit einem Preis gewürdigt zu werden.

Für Kontinuität steht der preisgekrönte zweite Bauabschnitt der Hochschule Bremerhaven. Architekt Gottfried Böhm hatte schon vier Jahre zuvor für den ersten Bauabschnitt einen Preis bekommen. Indirekt wurde der Kölner Architekt aber auch für eine ganz andere Leistung ausgezeichnet: Auf eine 1987 vorgestellte städtebauliche Studie Böhms geht nämlich der Masterplan zurück, der die bauliche Entwicklung des Technologieparks bei der Universität regeln sollte. Die zentralen Maßgaben waren die Rückkehr zum klassischen Stadtgrundriss mit Blocks und Straßenräumen sowie die Verwendung von Backstein als einheitsstiftendes Fassadenmaterial. Gleich vier Institutskomplexe, die nach diesen Vorgaben ausgeführt wurden, erhielten 1990 eine Anerkennung.

Der im wörtlichen Sinn herausragendste Beitrag war das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation, besser bekannt als Fallturm: Es stellte eine neue Architekturaufgabe dar, eine 118 Meter lange, stehende Betonröhre mit einem Gebäudekomplex organisch zu verbinden.

Um die Erinnerung an einen Fabrikschornstein oder an einen gestreckten Kirchturm zu vermeiden, tauchte Architekt Horst Rosengart ganz tief in die Architekturgeschichte ein und fand schließlich Inspiration beim Leuchtturm von Pharos, der zu den sieben antiken Weltwundern zählte. Das Resultat dieser Anregung, der überschlanke Schaft, wurde in einem zentralen, optisch schwer wirkenden Sockelbau „verankert“ und erhielt oben einen spitzen Glaskegel. Ganz gleich, wie man das Ergebnis des Turmbaus bewerten mag: Der Universität hat er ein werbewirksames Wahrzeichen beschert.

Die Jury war zur bremischen Backsteinleidenschaft vorsichtig auf Distanz gegangen. Es sei „wohltuend, dass auch Bauten in anderen Materialien eingereicht wurden“, hieß es. Doch einem Bauwerk musste sie den gekonnten und angemessenen Umgang mit Ziegeln ausdrücklich bescheinigen. Die preisgekrönte Garage Hillmannstraße stammte von den Hamburger Architekten von Gerkan, Mark und Partner. Eine in die Fassade eingebundene mehrläufige Freitreppe, die zur Blockecke ansteigt, verleiht der an sich schlichten Bauaufgabe Parkhaus hier einen dramatischen Akzent, wobei das homogene Material Ziegel dem kraftvollen plastischen Gestus besonders entgegenkommt.

Dass andere Baumaterialien andere Möglichkeiten der Formgebung freisetzten, fand die Jury vor allem in zwei preisgekrönten Bauwerken bestätigt: dem Heizkraftwerk Block 15 in Hastedt von Schomers, Schürmann und Stridde, Bremen, sowie dem Betriebshof für Müllentsorgungsfahrzeuge von der Göttinger Arbeitsgemeinschaft Großmann, Brandi und Burg. Mit dem Block 15 gelang es, der stadtbildprägenden Großanlage durch eine Verkleidung mit Glatt-, Trapez- und Wellblechen eine einprägsame Gestalt zu verleihen, die auf wuchtige Monumentalität, wie man sie sonst von Industriebauten kennt, verzichtet.

Der Betriebshof besticht durch das leichte seilverspannte Tragwerk der 25 x 100 Meter großen Haupthalle. In seiner konstruktiven Grundstruktur erinnert der Bau an ein 1983 von Norman Foster in Swindon für Renault fertig gestelltes Auslieferungslager.

Der entscheidende Unterschied: Während Foster die Leichtigkeit und Transparenz des Baugefüges mit einer grellen Farbgebung und durchsichtigen Wandelementen regelrecht zur Schau stellt, wird in Bremen dem filigranen Tragwerk ein über sechs Meter hoher Sockel untergeschoben – aus den „erdverbundenen Materialien Beton und Gasbeton in kräftigen Abmessungen“, wie es im Erläuterungsbericht der Architekten heißt.

Eberhard Syring

Die nächste Folge behandelt den BDA-Preis 1994, bei dem sich die Juroren auch über einen Neubau Gedanken machten, der gar nicht im Wettbewerb war. Ferner geht es darum, dass selbst bei einer perfekten Form der Teufel im Detail stecken kann.

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