standbild: Die Maske fällt
„Wenn ich Kanzler von Deutschland wär …“ (ZDF, 22.15 Uhr)
Ist Politik jugendverdrossen? Auf diese Frage wird man keine ehrliche Antwort von Politikern erhalten. Deshalb untersucht man lieber Jugend auf Politikverdrossenheit. Worauf die Shell-Jugendstudie konstatiert: Junge Menschen seien zunehmend politisch desinteressiert. Dafür standen die Moderatoren von „Wenn ich Kanzler von Deutschland wär …“ ziemlich allein da mit ihrem Interesse an den Wahlkampfparolen der anwesenden Politiker. Jugendlichen geht dieser Unfug genau so auf die Nerven wie das schrill gelbe Guidomobil – das machten sie unmissverständlich klar. Es ist riskant, ausnahmsweise nicht über die Jugend zu diskutieren, sondern mit ihr.
Für Angela Merkel (CDU), Michael Glos (CSU), Christine Bergmann (SPD), Claudia Roth (Grüne), Gregor Gysi (PDS) und Guido Westerwelle (FDP) muss dies ein heftiger Kontrast zu dem gewesen sein, was das Fernsehen ihnen üblicherweise bietet – und das, obwohl die Moderatoren sich sichtlich Mühe gaben, jugendlichen Elan zu bremsen. Zu spüren bekamen die geladenen Politiker: Mit flachen Floskeln emotionalisieren, klappt nicht. Sehnlichst müssen sich einige in Selbstdarstellungsforen wie „Sabine Christiansen“ zurückgewünscht haben.
In ein kleines Projekt für Toleranz abschieben lassen, wie Bergmann anbietet: nicht nach dem Geschmack Jugendlicher. Parteienkritik von Glos vermiesen lassen, der ein harsches „Eintreten und besser machen!“ in die Runde wirft: schon gar nicht. Die Ochsentour durch Hierarchien, bei der Energien zerschleißen, Ideale zerbröckeln, lieben Jugendliche nicht. Das machen Geraldina, Sören, David und die anderen klar. Und wer, wie Glos, versucht, sich mit Wahlkampfsprüchen zu inszenieren, das saubere Bayern hochleben zu lassen, hat schlechte Karten. „Das war nicht die Frage“, merkt da einer an – leider keiner der Moderatoren. Und prompt lässt Glos den schönen Schein zuckersüßer Jugendfürsprache sausen: „Spielen Sie sich nicht als Zensor auf“, herrscht er seinen jungen Gesprächspartner an. Immerhin: Wie man Politiker aus der Reserve lockt, bekamen Zuschauer – und Moderatoren – an der ein oder anderen Stelle vorgeführt. Man muss es eben nur wollen.
GITTA DÜPERTHAL
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