: Lobpreiset den Gesalbten
Das Wahrheit-Wahlporträt. Heute: Gerhard Schröder (SPD), Bundeskanzler
Zu Zeiten der Herrschaft des Kohl, als viele im Land sich ergingen in gottloser Raffgier, Verschnarchtheit und saublöder Rede, ward prophezeiet, dass kommen wird ein letzter Sozialdemokrat aus dem Land der Lipper, um allerlei Wunder zu tun kraft der Rede Gewalt. So er die Herrschaft des schwarzen Kohl füglich beerben und alle, die das Christliche lästerlich im Munde führen, strafen soll mit ruhiger Hand. Das Sozialdemokratische aber wird er erhöhen und erhalten eine Wahlperiode lang, um dann auch diesem Blendwerk das verdiente Ende zu machen und, so Gott will, durch anderen, geheim gewählten Unfug zu ersetzen.
Als dem Kohl zu Ohren kam, was man sich im Volke erzählte, wollt der Tyrann nit von der Herrschaft lassen und beschloss, den Sozen aufs Haupt zu schlagen, wo immer er einen treffe. Und so geschah es. Kohl schlug den Rau, den Lafontaine und den Scharping. Und noch viel andere. Doch soviel er auch dreinhieb, ihm schwante, der eine war nicht darunter.
Der aber wurde geboren zu Mossenberg am 7. April im 1944sten Jahr und getauft auf den Namen Gerhard Fritz Kurt Schröder. Den Menschen gab der Herr ein Zeichen, dass allhiero erschienen war tatsächlich ein Gesalbter. Denn die Sonne ging auf und wieder unter, ohn dass ein Tröpflein Regen dazwischen fahren wollt. Da hob an ein großes Lobpreisen im Lipperland, weil solches seit Menschengedenken nit mehr vorgekommen. Doch der Herr sprach: „Freuet euch nit zu früh. Erst will ich prüfen den Schröder, ob er meiner Gnade würdig wäre.“ Und der Herr nahm seiner Mutter den Mann und setzte die Wittib mit ihrem Kindlein in eine Kate aus Lehm, so dass sie frieren mussten und hungern, bis sie fraßen den Kitt aus den Fenstern. Darauf zürnte der junge Schröder sehr und fluchte wider den Herrn: „Warum muss der einfache Mann den Kitt aus den Fenstern fressen, wenn du aus Schweinen Currywürste machen kannst? Ist es nicht besser, ein jeder, der einen Magen hat, hat auch ein eigen Wurst?“ Da sprach der Herr: „Ich sehe, du bist nit dumm und gerecht. Ich will aus dir einen Sozi machen.“ Und er stellte den Knaben auf eine Wiese, wo die Männer umlederte Schweinsblasen traten mit Füßen zum Zeitvertreib, auf dass er es ihnen gleichtun möge. Schröder aber traktierte die Bälle mit so großer Kunstfertigkeit, dass die Männer seinen Namen priesen und huldigten dem Gebenedeiten mit frischem Pils.
Er kannte nun den Hunger, den Fußball, das Bier und die Prominenz. Um das Wesen der Sozialdemokratie aber gänzlich zu begreifen, musste Schröder endlich auch die alabasternen Brüste der Frauen sehen und ihren Leib betasten. Und da ihm der Herr neben kräftigen Schenkeln auch Anmut, blaue Augen und pechschwarzes Haar, welches auf wundersame Weise niemals grau werden sollte, mitgegeben hatte, ließen sich’s die Jungfern gern gefallen. Er bestieg sie im Dutzend, freite selber ganze vier und hat noch immer viel Freude dabei.
„Jetzt will ich dir noch die Arbeit zeigen“, sprach der Herr. „Damit die Ausbildung beendet sei im Guten wie im Schlechten.“ Schröder ahnte, dass daran nit viel Gefallen zu finden sei. Doch er fügte sich drein und tat allerlei hohe und niedere Dienste. Als er gesehen hatte, wie es zuging in der Welt, dass viele unverschuldet arm, wenige unverschämt reich, aber alle gröber als Esel und narrischer als Affen waren, fragte er den Herrn: „Warum wollen die Menschen teilen in Frieden alle Schlechtigkeit, nit aber das Geld?“ Der Herrgott lachte und sprach: „Es sind doch nur Proben. Ich mag sie nit ändern, du aber kannst sie führen.“
Da sah Schröder eine Aufgabe prognostizieret, die ihm wohl anstand. Bald fand er Aufnahme bei den Sozen, welche in der Zeit des Opponierens arge Bärenhäuter und Schluckspechte geworden und ihn gleich als ihren Hauptmann und Kanzler wählten, weil er scharfe Rede tat gegen den Kohl und allerlei Erztölpel und Kernbösewichte in den eigen Reihen. Dem Volke aber verschrieb er mehr Chancen als Risiken, Frauenbeauftragte und andere heikle innovationes. Item, dass kein Mangel herrsche an Arbeit, Cabriolets oder Proviant und überhaupt das Privatim der Leute alsdann viel vergnügsamer würde als das Leben der Könige. Als er aber merkte, dass man ihm alles glaubte, er aber gleichwohl wusste, am Elend der Welt sei kein Ändern, da der Herr sie nun einmal so gemacht hatte, brachte er die Arglosen dennoch weiter auf seine Seite mit Kriegstrompeterei und Verheißungen, eines jeden Reichtum und Rente werde vermehret durch forsche Spekulation in Aktien. Doch die Kurse fielen schneller als das die prächtigen Türme im Neuen York und etliche begannen um ihre Sinekuren und Beutel zu fürchten und zittern, und sie jaulten gleich nassen Hunden. Dahero Schröder nun allerhand Sorgen hatte. Sechs Monate saß er wie ein geschnitztes Bild, derweil die Zeitung gleichen Namens verkündete schon den Tag, an dem die Sozen fallen würden. Der Herr aber war’s zufrieden, ersäufte noch einige Ost-Proben in der großen Flut und harrte gespannt, was der Wahltag bringen würde. MICHAEL QUASTHOFF
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