: „Die Entlastung ist ja nur aufgeschoben“
Die ausgesetzte Steuerreform belebt auf dem kürzesten Weg die Nachfrage im Osten, meint DIW-Chef Zimmermann
taz: Die Opposition schlägt vor, die Bundesbankgewinne aus 2001 zur Beseitigung der Flutschäden zu verwenden. Was halten Sie davon?
Klaus F. Zimmermann: Die Bundesbankgewinne sollen eigentlich in den Erblastentilgungsfonds fließen. Wenn man das jetzt nicht tut, muss er von anderer Seite aufgefüllt werden. Und da kommen nur höhere Steuern in Frage.
Sind die Lasten bei der Flutopferhilfe gerecht verteilt?
Mit dem Hinausschieben der zweiten Stufe der Steuerreform ist ja sowohl die Entlastung des Spitzensteuersatzes ausgesetzt als auch die Entlastung im unteren Bereich. Somit entspricht die Verteilung dem Leistungsfähigkeitsprinzip.
Von der ersten Stufe der Steuerreform profitierten die Kapitalgesellschaften, von der zweiten sollten die Beschäftigten und der Mittelstand profitieren. Halten Sie die vom Bundeskanzler bekannt gegebenen Erhöhung der Körperschaftssteuer auf 26,5 Prozent für richtig?
Das halte ich nicht für nötig. Die Steuerentlastung für den Mittelstand ist ja nur aufgeschoben und nicht aufgehoben.
Die Pläne der Regierung und zuvor der Opposition, die Körperschaftssteuer anzuheben, sind also falsch?
Hinter den Kapitalgesellschaften, auf die eine solchen Steuererhöhung abzielt, stehen Anteilseigner. Und deren Einkommen ist bereits von der Verschiebung der Steuerreform betroffen. Außerdem sind die Gewinne in Deutschland wegen der schwachen Konjunktur so gering, dass mit einer Erhöhung der Körperschaftssteuer nur wenig zu holen sein wird.
Könnte man zugespitzt sagen: Mit der Verschiebung der zweiten Stufe finanziert der Mittelstand die großen Bauunternehmen, die sich die lukrativen Aufträge beim Wiederaufbau nach der Flut sichern?
Da bin ich nicht so sicher. Die Flutopfer werden Dienstleistungen des Handwerks nachfragen und beispielsweise neue Möbel kaufen. Davon profitiert auch der Mittelstand in Ostdeutschland: die Möbellieferanten, der Handel – nicht nur die großen Bauunternehmen.
Kann man die Gelder zweckbinden, so dass die Investitionsgelder tatsächlich an ostdeutsche Mittelständler gehen?
In Ausnahmefällen wie diesem ist es zwar erlaubt, Aufträge auch ohne EU-weite Auschreibung zu vergeben. Doch das sollte man keinesfalls tun, sondern im Sinne eines sparsamen Mitteleinsatzes immer das günstigste Angebot heraussuchen.
Hätte man einen Solidaritätsbeitrag einführen sollen?
Eine Kopfsteuer, wie sie nun erhoben wird, entspricht nicht dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Und sie wird technisch kompliziert umzusetzen sein.
Wirkt die Verschiebung der Reformstufe als Konjunkturmotor oder -bremse?
Für Gesamtdeutschland ist es keine Konjunkturbremse und für Ostdeutschland mit Sicherheit ein Konjunkturmotor. Die Hilfsleistungen in Höhe von etwa 10 Milliarden Euro entsprechen 2,5 Prozent der ostdeutschen Wirtschaftsleistung. Wäre das Geld via Steuerreform an die Bürger geflossen, hätten sie einen Teil für Konsum ausgegeben und einen Teil gespart. Die Verschiebung der Reform bedeutet, dass das Geld vollständig in die Belebung der Nachfrage fließt: durch staatlich angeregte Investitionen bzw. durch Hilfe für Menschen, die dann Güter und Dienstleistungen nachfragen.
Hätte es bessere Alternativen gegeben?
Die Alternativen, die zur Verfügung gestanden hätten, sind auch nicht unproblematisch: Nehmen Sie die größere Belastung der Kapitalmärkte, wenn der Staat neue Schulden aufgenommen hätte. Dann wären die Zinsen gestiegen – und das hätte der Konjunktur geschadet. Außerdem führt das zu einer Belastung der nächsten Generation.
Wäre eine höhere Neuverschuldung kompatibel mit den EU-Stabilitätskriterien?
Wir wären dann mit Sicherheit über die Höchstgrenze hinausgeschossen, die ja bei 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt. Aber wenn wir nachweisen können, dass dies mit den Schäden zu tun hat, dann wäre es sicher auch EU-kompatibel gewesen. Dennoch: Schulden müssen mittelfristig wieder abgebaut werden.INTERVIEW: KATHARINA KOUFEN
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