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Gesucht: MillionenbetrügerBollerwagen und Fluchthelfer aus der JVA

Auf und davon

Auf einem mit leeren Pappkartons beladenen Bollerwagen ist dem Millionenbetrüger Ralf Simon am Sonntagvormittag die Flucht aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Oldenburg gelungen. Als Fluchthelfer war dabei ein Bediensteter der JVA aktiv, der den Bollerwagen einfach durch den Personaleingang geschleust hat.

Auf die Spur des inzwischen geständigen Fluchthelfers führte die Auswertung der Videoaufzeichnung, die die Bollerwagen-Aktion festhielt. Das erklärte die Justizvollzugsanstalt gestern auf einer Pressekonferenz in der Kapelle des Knasts. Nach dem Ausbrecher wird inzwischen international gefahndet. Simon gilt in Polizeikreisen als international mobil, aber nicht als gewalttätig.

In einem noch nicht rechtskräftigen Urteil war der mehrfach vorbestrafte 41-jährige Ralf Simon wegen Anlagebetrugs zu elf Jahren und neun Monaten Gefängnis mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. „Ein außerordentlich hohes Strafmaß für einen Betrüger“, kommentierte der Sprecher der Oldenburger Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Gerhard Kayser das Urteil des Landgerichts vom April diesen Jahres.

Die JVA hätte wegen des Ausbruchs allerdings gewarnt sein müssen: Simon hatte während einer früheren Haft bereits fünf Fluchtversuche unternommen. Von den von Simon ergaunerten Millionen fehle allerdings weiterhin jede Spur. 50.000 Euro davon habe der Ausbrecher aber seinem 32 Jahre alten Fluchthelfer versprochen, sagte der Leiter der Justizvollzugsanstalt Gerd Koop.

Zwar galt das im Januar 2001 neu in Betrieb genommene Oldenburger Gefängnis dank modernster elektronischer Überwachung und Sicherheitsvorkehrungen als ausbruchsicher. „Gegen menschliches Fehlverhalten sind wir aber machtlos“, betonte der Anstaltsleiter. Das Sicherheitssystem dagegen habe funktioniert.

Der Vollzugsbeamte und der Bollerwagen seien beim Verlassen der Anlage durch den Personaleingang zwar nicht kontrolliert, aber von der Videokamera gefilmt worden. Er wolle die leeren Kartons zu seinem Auto bringen, habe der Beamte angegeben und sei nach zwei Minuten mit dem leeren Bollerwagen zu seinem Dienst zurückgekehrt. Seiner Hausrichtung „liberal und konsequent“ wolle er treu bleiben, kündigte Koop an. „Aber wir werden die Kontrolle der Kontrollen verstärken.“

Karin Güthlein, dpa

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