: Unselige Verquickung
betr.: „Schließlich ist das Mittelalter vorbei“, taz vom 21. 8. 02
Wer als Schwuler zum Standesamt geht, verliert seinen Arbeitsplatz bei kirchlichen Einrichtungen. So will es die deutsche Bischofskonferenz, und das Erzbistum Berlin rechtfertigt dies vehement. Es geht nicht um „Kirche und fleischliche Genüsse“, es geht um massive Diskriminierungen, die sich die Kirche anmaßt, wenn sie ihr eigenes Recht durchsetzen will. Was heißt „kirchliche Einrichtungen“? Caritas, katholische Schulen, Krankenhäuser, sie alle werden aus Steuergeldern bezahlt, nicht aus den Mitgliedsbeiträgen der Katholiken für ihre intolerante Organisation. Ob Muslim, Atheist, Schwuler, Heterosexueller, alle werden sie zur Kasse gebeten und finanzieren unfreiwillig Einrichtungen, die sich der Bewahrung kirchlicher Privilegien verschrieben haben und sich bis heute offenbar nicht vom Ungeist der einstigen Inquisition lösen mögen.
Erst kürzlich scheiterte das geplante Antidiskriminierungsgesetz am Widerstand der Kirchen, die auf keinen Fall das Verbot religiöser Diskriminierung im Gesetz verankert wissen wollen. Ein katholischer Hauswirt, der Andersgläubige in seinem Haus dulden soll? Ein schwuler Lehrer, der seinen Lebenspartner heiratet? Für die Kirche nicht akzeptabel. Und SPD und Grüne knicken vor diesem Druck ein.
Und in Berlin, wo man angeblich doch so sehr spart? Hier plant der Senat, den Kirchentag 2003, das große Werbespektakel der Kirchen, mit fast 7 Millionen Euro aus der Steuerkasse zu bezuschussen. Natürlich gibt der Bund ebenfalls reichlich Geld. Geld für Organisationen, die sich offen gegen Recht und Gesetz stellen. Man kann nur hoffen, dass auf europäischer Ebene irgendwann diese unselige deutsche Verquickung von staatlichen und kirchlichen Strukturen in Frage gestellt wird. JOHN RÖHE, Berlin
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