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Kontrolleur mit Leidenschaft

Helmut Hartmann findet immer was: Mangelhafte Hygiene im Eisladen, Spinnweben an der Wand, Dreck in der Küche. Und nimmt die taz mit auf seinen Kontrollgang

Helmut Hartmann sitzt in seinem Auto, studiert noch einmal seine Unterlagen. Heute stehen drei gastronomische Betriebe auf seinem Plan. Der 51-Jährige ist Lebensmittelkontolleur und arbeitet beim Lebensmittelüberwachungsdienst Bremen.

Hartmann kommt immer unangemeldet. „Wenn ich in einen Laden komme, dann finde ich auch was.“ 13 Jahre ist er schon im Geschäft und eines hat er gelernt: „Es ist nie alles 100-prozentig in Ordnung.“

Elf Mitarbeiter hat das Amt. Jeder von ihnen einen eigenen „Kontrollbezirk“ von rund 350 Betrieben. Fleischereien, Gaststätten, Lebensmittelgeschäfte, alles ist dabei.

Erster Halt heute: ein italienischer Eisladen. Auf einen Blick erkennt der Prüfer den ersten Mangel: Der Eiswagen vor dem Laden ist an den Seiten nicht durch Glas umschlossen. So könnten leicht Bakterien in das Eis gelangen. Hartmann geht rein, zeigt seinen Dienstausweis. Die junge Verkäuferin versteht nur wenig Deutsch. Doch der Kontrolleur lässt sich nicht beirren. Den Fussboden, die Küche – alles guckt er sich gründlich an.

Seine Bilanz am Ende: Es gibt keinen Zufluss für frisches Wasser (zum Säubern des Eislöffels), die Eisbecher stehen nicht in einem Regal hinter den Eiswagen (so dass Kunden sie anfassen könnten): „Oberflächlich scheint es oft sauber, aber man darf nicht genauer hingucken.“

Hartmann schreibt alle Verstöße auf. Normalerweise müsste er die Liste von der Italienerin unterschreiben lassen, doch die versteht gar nicht genau, worum es geht. Hartmann will später wiederkommen.

Zweite Station. Als Hartmann die Küche des kleinen Speiserestaurants in Walle betritt, sagt er entsetzt: „Hier sieht es ja nicht so toll aus.“ Er streicht mit dem Finger über den Boden: „Gucken Sie mal“, sagt er und zeigt der Kellnerin seinen schwarzen Finger. Sie steht mit bedrückter Miene da, während Hartmann notiert: Fettspritzer und Spinnweben an der Wand, Backofen extrem verschmutzt, auf den Mülleimern fehlen Deckel, und auf den Süßigkeitendosen auf dem Tresen fehlt der Hinweis, dass Farbstoff darin enthalten ist. „Das sind Mängel hier, die eigentlich nicht vorkommen dürfen. Bitte umgehend beseitigen“, warnt er.

In vier Tagen will Hartmann zur Nachkontrolle zurückkommen. Wenn bis dahin nichts verbessert wurde, kann er den Laden schließen. Bei sehr schweren Hygienemängeln, wenn zum Beispiel überall Essensreste und schmutziges Geschirr herumliegen, passiere das schon nach der ersten Kontrolle, erklärt er. Zwei Mal allein im letzten halben Jahr.

Hartmann fährt weiter. Dritter Halt: ein italienisches Restaurant. Er lässt sich vom Wirt das Betriebsbuch über die Reinigung der Schankanlagen geben. „Alle 14 Tage muss die Bierleitung vom Fachmann oder vom Wirt selbst gereinigt und das in diesem Buch eingetragen werden“, erklärt der Lebensmittelkontrolleur, während er die Daten studiert: „Alles in Ordnung“. Doch in der Küche findet er dann doch noch einen Fehler: Der Koch hat keine Kochmütze auf. „So können ganz leicht Haare in das Essen gelangen.“ Hartmann sucht weiter, leuchtet mit der Taschenlampe hinter die Schränke und in die Abzugshaube. Beides müsse umgehend gereinigt werden, schreibt er später in seinem Bericht. Frist: eine Woche.

„Wenn man vernünftig mit den Gewerbetreibenden spricht, sind sie meist auch ganz kooperativ“, erklärt Hartmann, „der Ton macht hier die Musik und ich bin doch Lebensmittelkontrolleur aus Leidenschaft.“

Zurück zum Eisladen. Inzwischen ist der Vater der Italienerin da. „Ja, o.k“, sagt der zu allem, was Hartmann zu bemängeln hat und unterschreibt. Zum Schluss bietet er Hartmann sogar noch ein Eis an. „Manchmal wollen die mich auch beeinflussen, aber das geht nicht. Ich merke das“, sagt Hartmann resolut. Eine Kugel Kirsch-Joghurt nimmt er trotzdem.

Monika Vosough Mohebbi

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