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Partisanen-Filmheld in seiner letzten Rolle

Der serbische Schauspieler Velimir Zivojinović tritt für die Sozialistische Partei bei den Präsidentenwahlen an

In Europa ist er kaum bekannt, obwohl er in Nebenrollen in einigen Produktionen, so auch an der Seite von Romy Schneider in der Verfilmung von „Gruppenbild mit Dame“ nach dem Roman von Heinrich Böll, mitgewirkt hat, aber in China ist er berühmt, der Serbe Velimir Zivojinović. Schon dreißig Jahre lang sendet das chinesische Staatsfernsehen immer wieder den Kultfilm „Walter verteidigt Sarajevo“, in dem er die Stadt von der Besatzungsmacht befreit. Jugoslawische Partisanenfilme enthielten gerade so viel Erotik, wie das Pekinger Regime seinen Bürgern zumuten wollte.

In fast hundert Filmen hat Zivojinović den gutmütigen und bärenstarken Helden in der Art von Sylvester Stallone oder Arnold Schwarzenegger gespielt. Vor kurzem sagte er, wenn man ernst nehmen würde, wie vielen Menschen er in Filmen die Kehle durchgeschnitten, wie viele er erschossen, erschlagen und ermordet hat, müsste er längst als Kriegsverbrecher im Haag sein.

Und nun soll er den dort einsitzenden Slobodan Milošević als Präsident Serbiens beerben. Diesen Mann zu benennen war eine Verlegensheitsgeste der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS). Eigentlich wollte man Milošević selbst kandidieren lassen, aber der Häftling winkte ab und schlug den extrem nationalistischen Parteiführer der serbischen Radikalen, Vojislav Šešelj, als gemeinsamen Kandidaten der „patriotischen Kräfte“ vor. Die SPS als zurzeit stärkste Oppositionspartei im Lande glaubte jedoch mit einem eigenen Bewerber antreten zu müssen.

Zivojinović wurde in einem Dorf nahe Belgrad am 6. Mai 1933 geboren. Er wollte Bühnenschauspieler werden, aber der junge serbische Film entdeckte ihn als idealen Partisanenhelden. Der beliebte Darsteller von Tito-Kommunisten wurde auch im zivilen Leben einer und trat nach dem Tod des Idols der neu gegründeten SPS von Milošević bei, sitzt als dessen braver, fleißiger Abgeordneter meist schweigsam im Parlament. Nach dem Sturz des Regimes im Herbst 2000 gefragt, ob er in der Partei bleiben würde, sagte er: „Jawohl, solange Slobodan Milošević auch ihr Mitglied ist.“

Als man nun wissen wollte, ob er das Einverständnis von Milošević für seine Kandidatur eingeholt habe, gab er zu: „Das nicht, und er hätte es mir nicht gegeben. Er ist in Haft, das ganze Land und wir alle auch!“

In den letzten Jahren gab es immer weniger Rollen für den alternden Muskelmenschen. Für die Ewiggestrigen ist er jedoch auch weiterhin eine Identifikationsfigur, für jüngere Menschen als Möchtegernpräsident eher eine Lachnummer.

Zivojinović ist privat ein durchaus intelligenter und geistreicher Mensch. Er weiß, dass er keine Chance hat, mehr als einige Prozent Wählerstimmen zu gewinnen. Der eigentliche Kampf wird zwischen den bierernsten Professoren Vojislav Koštunica und Miroljub Labus ausgetragen, Ersterer steht für ein national-romantisches Serbien, trotz der Gefahr, dass es sich so isolieren könnte, der andere für einen schnellen und bedingungslosen Anschluss an europäische Werte. Aber Zivojinović sagt von seinem Wahlkampf: „Es wird meine letzte und hoffentlich beste Rolle sein!“ Die Trompeten ertönen und das alte Zirkusross Zivojinović galoppiert in eine neue, für ihn unbekannte Manege. Eine neue Rolle? Mag sein. Aber wer schreibt das Drehbuch? IVAN IVANJI

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