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Wasserträgerinnen der Nachhaltigkeit

In einem indischen Dorf kämpfen Frauen um das nötige Trinkwasser. Hauptproblem dabei sind ihre Männer

KUPPANAGAR taz ■ Stimmhöhe und Lautstärke signalisieren Krise. Und bei der Dorfversammlung in Kuppanagar geht es laut und schrill zu, alle reden gleichzeitig aufeinander ein. Anders als meist bei öffentlichen Versammlungen in Indien sind Frauen nicht in der Minderheit und anders als sonst halten sie nicht ihren Mund. Im Gegenteil: Sie ereifern sich, als ginge es um ihr Leben. Und tatsächlich geht es um nicht mehr und nicht weniger: um Wasser, Trinkwasser.

Der alte Tiefbrunnen im Dorf ist versiegt, kein Tropfen kommt aus den Handpumpen, der Wassertank wird wegen des geringen Wasserdrucks nicht mehr voll. Höchstens zwei Töpfe können die Frauen täglich pro Familie füllen. Zehn brauchen sie aber für die durchschnittlich siebenköpfigen Haushalte zum Trinken, Kochen und für Katzenwäsche. Richtig geduscht wird nur einmal die Woche. Da auch die Bäche im Umkreis des Dorfs nur noch in der Regenzeit Wasser führen, der Dorfteich und das alte Kanalsystem längst versandet sind, gehen die Frauen auf die Felder reicher Bauern, um ihre Wassertöpfe an den Pumpen zu füllen, die die Felder bewässern. Doch die meist aus höheren Kasten stammenden Landbesitzer verbieten den Dalit-Frauen, den „Kastenlosen“, häufig, sich an den Bewässerungsbrunnen ihrer Felder zu bedienen. Deshalb müssen sie weit laufen, um an Wasser zu kommen. Bei der Konkurrenz um knappe Ressourcen ziehen die Ärmsten oder Schwächsten in der Gesellschaft den Kürzeren.

Die Wasserkrise verschärft die alten Kämpfe um das kostbare Gemeinschaftsgut, zwischen hohen und niedrigen Kasten, zwischen Reichen und Armen, zwischen Männern und Frauen. Es geht hier um mehr als ein paar volle Wasserkrüge, es geht um Nutzungsrechte, um Kontrolle, um Entscheidungsmacht.

Der sinkende Wasserspiegel, der den Versorgungsnotstand verursacht, hat zwei Gründe: die Tiefbohrungen der Bauern und die Dürre. Die Landbesitzer in der Dorfversammlung argumentieren, es sei ihr gutes Recht, so tief und so viel auf ihrem eigenen Stück Land zu bohren, wie sie wollten. Sonst könnten sie die Felder nicht mit dem gewinnbringenden Zuckerrohr bestellen und den landlosen Dalits keine Arbeit geben. Tatsächlich brauchen auch die Dalit-Frauen beides zum Überleben: Trinkwasser und Lohnarbeit.

Jetzt aber wollen die Frauen Prioritäten setzen: „Trinkwasser hat Vorrang.“ Sie schlagen vor, gemeinsam beim Amt für ländliche Wasserversorgung in der Bezirkshauptstadt Medak zu demonstrieren, damit eine Wasserleitung von einem mehr als zehn Kilometer entfernten Wasserreservoir zum Dorf gelegt wird. Die Männer zögern und zaudern.

Die Frauen drängen sie, beim Wasseramt den freiwilligen Arbeitseinsatz aller DorfbewohnerInnen anzubieten, um den Graben für die Leitung auszuheben. „Wir Frauen machen die Erdarbeiten, und die Männer legen die Rohre in die Gräben.“ Bei der Arbeitsteilung wird nicht gefackelt: Körperlich schwere Drecksarbeit machen vor allem die Frauen. Wo Technik ins Spiel kommt, übernehmen die Männer.

Drei Spar- und Kreditgruppen, die die Frauen im Dorf gebildet haben, erklären sich bereit, aus ihrem Spartopf zu den Kosten beizutragen. Die Männer zucken mit den Achseln: Sie haben nichts gespart. Denn Sparen und Vorsorgen ist auch Frauensache. CHRISTA WICHTERICH

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