: Zwei sind einer zu viel
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern hat sich Berlin bislang zwei Generalstaatsanwälte geleistet. Nach der heutigen Abwahl von Hansjürgen Karge wird sich die Stadt mit einem begnügen
von PLUTONIA PLARRE
Er hat sich vehement gegen seine Entlassung gewehrt, am Ende aber doch den Kürzeren gezogen: Heute wird das Abgeordnetenhaus den Generalstaatsanwalt am Landgericht Hansjürgen Karge durch Abwahl aus dem Amt befördern. Dass der 61-Jährige seinen Posten verliert, gilt als sicher. Nicht nur SPD und PDS, auch die Grünen wollen den Abwahlantrag unterstützen. Davon, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Karge und Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) zerstört ist, hatten sich die Abgeordneten bei einer Sondersitzung des Rechtsausschusses am vergangenen Montag persönlich überzeugen können (die taz berichtete). Nun lautet die Frage: Wer folgt auf Karge?
Von der Senatsverwaltung für Justiz war vor der Abwahl keinerlei Stellungnahme zu erhalten. Die Vereinigung der Berliner Staatsanwälte (VBS) hingegen drängt zur Eile: Aufgrund der großen Probleme in der Behörde müsse die Stelle „ganz schnell“ besetzt werden, außerdem dürfe der oder die Nachfolger/in nicht mehr „Generalstaatsanwalt“ heißen, sagt VBS-Vorstandsmitglied Vera Junker. „Leitender Oberstaatsanwalt oder Leitende Oberstaatsanwältin wäre der richtige Titel.“ Nach dem Hin und Her um Karge wäre der Titel des Generalstaatsanwalts künftig „immer mit einem politischen Geschmäckle“ verbunden, so Junker. Die Bündnisgrünen sehen das genauso. „Ein Generalstaatsanwalt reicht vollkommen aus“, meint Volker Ratzmann, rechtspolitischer Sprecher der Grünen. Bisher leistet sich Berlin nämlich zwei Generalstaatsanwälte. Einen am Landgericht und einen am Kammergericht, wobei Letzerer, Dieter Neumann, der ranghöhere ist.
In anderen Bundesländern gibt es nur einen Generalstaatsanwalt, der in der Regel beim Oberlandesgericht (was dem Berliner Kammergericht entspricht) angesiedelt ist. Die Behördenleiter der Staatsanwaltschaften am Landgericht heißen in den anderen Bundesländern „Leitender Oberstaatsanwalt“. Dass Berlin eine Ausnahme bildete, ist auf die Größe der Staatsanwaltschaft am Landgericht zurückzuführen. Sie ist mit rund 330 Anklägern die größte in der Bundesrepublik.
Nach dem Eklat um Karge scheint es im Hause der Justizsenatorin aber beschlossene Sache zu sein, dass der Nachfolger nicht mehr Generalstaatsanwalt am Landgericht, sondern wie im Bundesgebiet Leitender Oberstaatsanwalt heißen soll. Beabsichtigt ist auch, Karges Nachfolger nicht mehr durch das Abgeordnetenhaus wählen zu lassen, sondern nach Beamtenrecht ganz normal einzustellen. Entweder als „politischen Beamten“, der jederzeit gefeuert werden kann, oder als Laufbahnbeamten. Der Grüne Ratzmann plädiert für die Variante Laufbahnbeamter, weil dieser gegenüber seinem Dienstherrn eine stärkere Position innehabe als der politische Beamte. Die Staatsanwaltschaft, so Ratzmann, dürfe „keinen politischen Ränkespielen“ nach dem Motto „hire and fire“ ausgesetzt sein.
Da klar zu sein scheint, dass der Nachfolger nicht mehr „General“ heißen und auch nicht mehr vom Parlament gewählt werden wird, bleibt nur noch die Frage: Wer wird’s? Nach der heutigen Abwahl soll die Stelle zur sofortigen Besetzung ausgeschrieben werden.
Ein Name wird schon seit längerem gehandelt. Der des parteilosen, aber der SPD nahe stehenden Oberstaatsanwalts Ralf Rother.
Der 51-Jährige, der vier Jahre als Vertreter von Karge gearbeitet hat, ist zurzeit Stellvertreter des Generalstaatsanwalts Neumann am Kammergericht. Rother gilt als umgänglich, ruhig und zurückhaltend, was man von Karge nicht gerade sagen konnte. Ob er die in der Behörde dringend benötigte Innovationskraft mitbringt, wird in Staatsanwaltskreisen allerdings bezweifelt.
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