: Im Osten trinkt man lauter
Geburtstagsüberraschung aus dem Internet: In Jez Butterworth’ Komödie „Birthday Girl“ spielt Nicole Kidman eine russische Prostituierte, die nach England „vermittelt“ wird – und dort Besuch von der Mafia bekommt
Manche Dinge hält man für real, obwohl man sie vor allem aus Fernsehgeschichten und vom bloßen Hörensagen kennt. Russische Mafiosi zum Beispiel, oder auch die „russischen Bräute“, jene Frauen aus allen Teilen der ehemaligen Sowjetunion, die sich den Weg in den Westen über die Heirat mit emanzipationsgeschädigten Männern bahnen. Die osteuropäische Mafia – berüchtigt skrupellos – gehört mittlerweile zum festen Krimi-Inventar, die Bräute haben es hie und da bereits ins Melodram geschafft. Der britische Regisseur Jez Butterworth bringt die zeitgenössischen Varianten des Sex & Crime nun in einer Komödie unter. Was eigentlich ein Anzeichen für Integration ist, denn nur über hinreichend bekannte Stereotype lässt sich gut lachen.
Nicole Kidman als übers Internet georderte Braut Nadja verkörpert zunächst die perfekt gelungene Enttäuschung: kettenrauchend, kein Wort Englisch sprechend, dafür aber in leicht verschlamptem Outfit mit um so mehr Sexappeal. Weshalb die Versuche des einsamen Bankangestellten John (Ben Chaplin), sie zu „reklamieren“ – „Ich hatte ausdrücklich jemand mit Englischkenntnissen verlangt“ – erstens halbherzig wirken und zweitens natürlich vergeblich bleiben. Keiner Fremdsprache mächtig, verlegt sich Nadja ganz auf Körpersprache, womit sie ihren John bald rumkriegt. In Brocken von broken English bahnt sich mit der gekauften Braut eine zarte Romanze an, die entgegen dem äußeren Anschein von britischem Gartenblümchensex ganz auf das feste Fundament der kleinen Perversionen baut: Nadja hat Johns versteckte Pornovideos entdeckt.
Wer angesichts des sich ausbreitenden Wiesenpicknick- und Bettfessel-Glücks denkt, er sei im falschen Film, wird umgehend beruhigt: Im Englischlexikon deutet Nadja auf das Wort „Birthday“ und schon stehen zwei russische „Cousins“ vor der Tür. Was von solchen Familienangehörigen zu halten ist, weiß der Zuschauer so gut wie der überrumpelte John. Immerhin kann einer von ihnen Englisch, und dank seiner Übersetzungskünste tauschen Nadja und er erstmals etwas anderes als Körpersäfte aus. Die süßlichen Eingeständnisse verstärken den Eindruck der bedrohten Idylle; finstere Mienen und nicht weniger finstere Manieren – wie laut sie die Gläser heben! – zeigen es schon an: Als John sich endlich entschließt, sie rauszuwerfen, werden aus fröhlichen Trinkern ausgebuffte Verbrecher.
So originell der Plot von „Birthday Girl“ sein will, bleibt er doch zu eng jenen Stereotypen verhaftet, deren Entlarvung man in der Komödie eigentlich erwartet. Was der Film als seine Stärke ausgibt, die Starbesetzung, erweist sich paradoxerweise zugleich als seine Schwäche: Die kühle Erotik der Australierin Nicole Kidman, das düstere Image der Franzosen Mathieu Kassovitz und Vincent Cassel stehen hier für die gängige westliche Vorstellung des osteuropäisch „Anderen“. Trotz Sprachtraining merkt man ihrem Spiel aber an, dass sie kein Wort von dem verstehen, was sie da auf Russisch sagen müssen.
Inmitten dieser um Humor und Thrill so bemühten „schwarzen Komödie“ haben Kidman und Chaplin dennoch ihre starken Momente. Chaplin gibt den tief gekränkten Langweiler so abgründig, dass er anrührt, obwohl er unsympathisch ist, und Kidman spielt weibliche Raffinesse, ganz ohne die dahinterstehende Intelligenz zu denunzieren. So ist es denn das Spiel der Schauspieler und nicht die Feinheiten des Drehbuchs, die das abgedroschene „Gegensätze ziehen sich an“ doch noch glaubhaft machen.
BARBARA SCHWEIZERHOF
„Birthday Girl – Braut auf Bestellung“, Regie: Jez Butterworth. Mit Nicole Kidman, Ben Chaplin, Mathieu Kassovitz u. a., GB/USA 2002, 93 Min.
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