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Irlands Elite der Steuerhinterzieher

Seit 30 Jahren haben Irlands Reiche den Staat um Millionen Euro betrogen – jetzt wird der Fall untersucht

DUBLIN taz ■ Die Liste liest sich wie ein „Who is who“ der reichsten Personen Irlands: Bauunternehmer, Bankiers, Architekten, Geschäftsleute, Ärzte, Piloten, Politiker, ein Transportminister und ein ehemaliger Premierminister – insgesamt 190 Namen. In Wirklichkeit handelt es sich aber um eine Liste von Steuerhinterziehern, die den irischen Staat seit 30 Jahren um viele Millionen Euro betrogen haben. Eine Untersuchungskommission hat ihre Aktivitäten jetzt ans Licht gebracht.

Das System war einfach: Der inzwischen verstorbene Geschäftsmann und Bankier Des Traynor ließ sich von seinen Klienten Schwarzgelder geben, die er angeblich in der Ansbacher-Bank auf den Caymaninseln in der Karibik deponierte. In Wahrheit blieb das Geld jedoch auf einem Ansbacher-Konto bei einer Dubliner Bank. Schriftlich festgehalten wurde so gut wie nichts. Wer Geld abheben wollte, sagte Traynor Bescheid, der die gewünschte Summe dann als Kredit deklarierte, so dass seine Klienten auch noch die Zinsen von der Steuer absetzen konnten.

Traynor leitete die Ansbacher-Aktivitäten von seinem Büro als Aufsichtsratsvorsitzender bei Cement Roadstone Holdings (CRH), einem der größten Baustoffunternehmen Europas mit über 45.000 Mitarbeitern in 1.400 Niederlassungen in 20 Ländern.

Acht Direktoren von CRH profitierten von Traynors Ansbacher-Operation. Die Untersuchungskommission gibt dem Unternehmen eine Mitschuld. Es sei „wahrscheinlich“, dass CRH über Traynors Aktivitäten Bescheid wusste. Ein Inspektor der irischen Zentralbank hegte ebenfalls bereits 1976 den Verdacht, dass die Cayman-Operation „nicht korrekt oder ethisch“ sei. Doch in seinem Bericht war das Wort „Steuerhinterziehung“ ausgestrichen und handschriftlich durch „Steuervermeidung“ ersetzt. Ersteres ist illegal, Letzteres nicht. Der hochrangige Bankangestellte, der die Veränderung vornahm, kann sich nicht mehr daran erinnern.

Später kümmerte sich die Zentralbank gar nicht mehr um das Ansbacher-Konto. Charles Haughey war 1979 Premierminister geworden. Er war der größte Kunde bei seinem Freund Des Traynor, und er hatte gute Gründe, sein Geld zu verstecken: Haughey hat in seiner Amtszeit viele Millionen Pfund von irischen Geschäftsleuten kassiert, die genaue Summe wird Ende des Jahres bekannt gegeben, wenn das Tribunal seinen Abschlussbericht vorlegt. Während er in Saus und Braus lebte, predigte Haughey dem Volk Maßhalten. Der Staat stand vor dem Bankrott, Haugheys Regierung erhöhte die Steuern auf 48 Prozent.

Einer von Haugheys Gönnern war Ben Dunne. Der Mitbesitzer einer Kaufhauskette hat dem Premierminister mehr als eine Million Pfund zugesteckt. Aber er ist auch schuld daran, dass die Ansbacher-Operation aufflog. Vor zehn Jahren ist Dunne in Florida von der Polizei mit einer Prostituierten und einem Tütchen Kokain erwischt worden. Zwar kam er mit einer Geldstrafe davon, doch seine Geschwister wollten ihn nicht mehr in ihrem Familienunternehmen haben. Bei dem gerichtlichen Prozess zwischen Dunne und seinen Geschwistern kamen die Zahlungen an Haughey heraus. Von ihm führte die Spur weiter auf die Caymaninseln.

Die Kundschaft der dortigen Ansbacher-Bank muss nicht befürchten, ins Gefängnis zu kommen. Die alten Seilschaften funktionieren immer noch, und schließlich sind Politiker der beiden größten Parteien in den Skandal verwickelt. Möglicherweise müssen sie aber einen Teil der hinterzogenen Steuern nachzahlen. RALF SOTSCHECK

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