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Träume ausdrücklich erlaubt

Das Projekt „Maria Elena Cuadra“ in León kämpft gegen häusliche Gewalt und bietet einen Freiraum, in dem sich Frauen über ihre politischen, sozialen und emotionalen Probleme austauschen können

von TINA SPIES

„No es prohibido soñar“ – es ist nicht verboten, zu träumen – lautet das Motto des Movimiento de Mujeres „Maria Elena Cuadra“ (MEC) in León, das seit über sieben Jahren vom Hamburger Nicaragua-Verein und einer Frauengruppe der IG Metall Berlin unterstützt wird. Monatlich überweisen sie 600 Dollar an die Mitarbeiterinnen des MEC-Projekts „Roswitha – no es prohibido soñar“, die dadurch berufstätigen und arbeitslosen Frauen in León helfen können. Sechs von ihnen sind derzeit in Hamburg und Berlin zu Besuch, um über ihre Arbeit zu berichten, und um neue Erfahrungen während verschiedener Praktika in Frauenprojekten zu sammeln.

Schon seit 1994 bietet das Movimiento Frauen einen Freiraum, in dem sie sich über ihre politischen, sozialen und emotionalen Probleme austauschen können. Die Mitarbeiterinnen arbeiten fast alle ehrenamtlich. Sie leiten staatlich anerkannte Berufsbildungskurse, wie z.B. Buchhaltung, Schreibmaschine und Schneiderei, und führen Seminare über Ernährung, Sexualaufklärung, Umweltschutz und Rechtsfragen durch. Außerdem stehen mehrmals wöchentlich eine Psychologin und eine Juristin zur Verfügung, die immer viel zu tun haben: Allein in den vergangenen drei Monaten kamen 102 Frauen zur psychosozialen und 140 Frauen zur juristischen Beratung.

Ein besonderes Anliegen des MEC ist der Kampf gegen die Gewalt, der die Frauen zu Hause und bei der Arbeit ausgesetzt sind. Das Projekt arbeitet deshalb eng mit dem Frauenkommissariat in León zusammen und ist am „Netzwerk gegen Gewalt“ beteiligt. „Frauen haben jetzt mehr Mut, Gewalt anzuzeigen“, berichtet Josefina Ulloa, die Leiterin des MEC, nicht ohne Stolz von den Fortschritten des Projekts, das den Frauen dabei hilft, ihre eigenen Fähigkeiten wiederzufinden und ihre Rechte zu verteidigen.

Doch nicht immer können die Mitarbeiterinnen des MEC helfen. So kam beispielsweise eine Mutter mit ihrer Tochter, die vom Stiefvater vergewaltigt worden war, zum Frauenzentrum. Sie hatte Anzeige erstattet, doch dem Mädchen wurde nicht geglaubt, weil der zuständige Gerichtsmediziner behauptete, sie sei noch Jungfrau. Die Frauen des Movimiento konnten dagegen nichts unternehmen. Sie nahmen deshalb lediglich die 15-Jährige bei sich auf und pflegten das Mädchen, nachdem es heimlich illegal abgetrieben hatte.

Ein solcher Fall wird sich hoffentlich nicht wiederholen. Denn seit August dieses Jahres gehört eine Gerichtsmedizinerin zum Team des MEC. Sie untersucht Frauen mit sexualisierter Gewalterfahrung in einem eigens dafür vorgesehenen Raum, der mit Hilfe des Hamburger Senats und der Hans-Böckler-Stiftung gebaut werden konnte. Hier sollen Gewaltopfer Gutachten bekommen können, die vor Gericht verwertbar sind.

Doch noch lange sind nicht alle Träume erfüllt: So ist beispielsweise ein Seminar für Männer geplant, die man darin stärken will, in ihrer Familie keine Gewalt anzuwenden. Denn, so glauben die Frauen des Projekts, Gewalt ist ein soziales Problem. „In manchen Dörfern sind über 80 Prozent der Bevölkerung arbeitslos. Da darf man sich einfach nicht wundern, wenn die Männer gewalttätig werden“, erklärt Juanita Sánchez, die als Mitarbeiterin des MEC Frauen in ihrem Dorf berät.

Außerdem – so hofft man – soll sich das Projekt in Zukunft mit dem Verkauf von Medikamenten selbst tragen können. Bis dahin jedoch sind die Mitarbeiterinnen des MEC auf die monatliche Unterstützung aus Hamburg und Berlin angewiesen. Um diese auch weiterhin zu ermöglichen, sucht der Nicaragua-Verein dringend SpenderInnen, die möglichst per Dauerauftrag die Arbeit der Frauen finanziell sichern. Ein Spendenkonto ist bei der Postbank Hamburg unter dem Stichwort „Mujeres“, Kontonummer 51137-205, BLZ 200 100 20 eingerichtet.

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