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Folk-Jubiläum

Wo das Bremer Volk tanzt(e): Von den Sixties zum Mittsommertanzen zum Folkball

Schluss mit der ewig gestrigen Brandmarkung als ewig gestrig. In den wilden Sixties war es plötzlich modisch korrekt, traditionellem Liedgut zu lauschen, vor allem dem aus der politischen Widerstandsbewegungen.

Mit den amerikanischen Singer-/Songwritern in der Nachfolge von Pete Seegers und Woody Guthrie sowie dem englischen Folk-Revival als Vorbild erklomm in Deutschland die Bardenbärtigkeit der Waders, Moßmanns und Degenhardts die Bühnen – auf denen sich auch die fiddelfidelen Zupfgeigenhansel, Liederjan & Co tummelten. Und eine hippiebunte Mitmacherei vor der Bühne entfachten. Leistungsdenken und Vorführgestus der Traditionspflege wurden beerdigt, man vergegenwärtigte sich das spielerische und soziale Miteinander des Tanzens.

Auch in Bremen entstanden diverse Tanzgruppen – etwa im Neustädter Nachbarschaftszentrum Kunz, dem Kulturladen Brodelpott in Walle, später im Kulturzentrum Schlachthof. Die Huchtinger Folk-Camp-Initiative organisierte Tanzworkshops. Anfang der Achtziger luden sich diese Gruppen gegenseitig zu größeren Partys ein, aus denen sich die Offenen Folktanzabende im Lagerhaus Schildstraße entwickelten. Höhepunkt für die bewegungslustige Gemeinde ist seit 1985 das Mittsommertanzen an der Weser.

Aber genug ist nie genug. Das tanzende Volk wollte mehr. So initiierte Franz Josef Krafeld (siehe nebenstehendes Interview) am 23. Oktober 1994 erstmals den Folkball im Bürgerhaus Weserterrassen.

Seither besteht das Konzept der in Kooperation mit der Folk-Initiative verantworteten Veranstaltung darin, drei Mal pro Halbjahr jeweils am Sonntagabend eine Musikgruppe einzuladen, die über ein international gemischtes Repertoire an Musiken für Gassentänze, Squares, Paarkreiseleien etcetera verfügt. Ergänzt wird das Programm durch Kreis- und Reihen- sowie einzelne Paartänze. Und zwar nur solche, die aus wenigen und schlichten Bewegungselementen bestehen, so dass sie relativ schnell erklärt und leicht mitgetanzt werden können – also der Partycharakter im Vordergrund steht.

Neben einem tanzerfahrenen Stammpublikum von 50 bis 100 Personen kommen zu den Folkbällen auch immer neugierige Tanzfrischlinge, die nur zusehen und zuhören wollen. Nächster Termin: Morgen, 1. September, ab 20 Uhr mit der Gruppe Brassberries. Das Hannoveraner Sextett setzt auf Blechblasinstrumente bei der Tanzanimation.

Höhepunkt dieses Jahres wird der 50. Folkball am 20. Oktober sein. Engagiert wurde die 10-köpfige Braunschweiger Band „tubs.it“ sowie „Folkstrott“ aus Bremen. taz

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