: bremen.de bleibt bei Bremen
Die Pläne, das einst preisgekrönte Stadtinformationssystem zu privatisieren, sind gescheitert. Nun muss die Stadt dringend selbst an der Weiterentwicklung arbeiten, um im Bundesvergleich nicht vollends abgehängt zu werden
Das Internet-Stadtinformationssystem bremen.de wird nicht verkauft. Das soll der Senat innerhalb der nächsten zwei Wochen beschließen – und damit offiziell anerkennen, was die Marktlage längst erzwungen hat.
Das Online-Angebot der Hansestadt war einst bundesweit führend und räumte in den neunziger Jahren reihenweise Preise ab. Da dachte man im Finanzressort, dass man das Objekt gewinnbringend verkaufen könne – andere Städte waren diesen Weg schon gegangen. Millionenerlöse schienen zu winken. Nach der Internet-Krise der vergangenen beiden Jahre sieht das alles ganz anders aus. Auf eine europaweite Ausschreibung bewarben sich gerade zwei Konsortien: Eines bestand aus dem Weser-Kurier, Radio Bremen, der Sparkasse und der Firma Bremer Business Net des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Andreas Kottisch, das andere aus dem CDU-nahen Weser Report, der Finanz-System-Firma PDV und der Uni-Ausgründung I2DM, die seinerzeit die bremen.de-Plattform entwickelt hatte. Beide Konsortien erfüllten aus Sicht der Juroren das entscheidende Kriterium: die Fähigkeit, „content“ zu liefern, um das Online-Angebot damit attraktiver zu machen. Damit war ein politisches Patt zwischen den beiden Fraktionen der großen Koalition entstanden, die jeweils ihre Favoriten in den Sattel hieven wollten. Die salomonische Lösung: Beide Konsortien sollten eine Zusammenarbeit prüfen.
Für die beiden Erz-Konkurrenten auf dem Bremer Medienmarkt, die Bremer Tageszeitungen AG (Weser Kurier) und Klaus-Peter Schulenbergs KPS-Gruppe (Weser Report), war das allerdings keine ernsthafte Option, zumal beide ihre Ticket-Agenturen Qivive (heute Nordwestticket) beziehungsweise Ticket Service Center (TSC) unter bremen.de günstig positionieren wollten, um so neue Kundenschichten zu erschließen. Beim Weser Kurier rümpfte man außerdem indigniert die Nase darüber, dass die eigenen Inhalte offensichtlich mit denen gleichgesetzt wurden, die das Anzeigenblatt Weser Report zu liefern imstande wäre.
Schließlich gescheitert ist der Verkauf von bremen.de allerdings nicht nur an politischen Ränken, sondern auch daran, dass keines der beiden Bieterkonsortien Geld zahlen wollte – im Gegenteil: Mitten in der e-business-Katerstimmung waren beide Konsortien nur gegen ein saftiges Schmerzensgeld aus dem Stadtsäckel bereit, die Betreuung der Stadtinformation mitzuübernehmen. So hat Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) nach eineinhalbjähriger Ausschreibungs- und Nachverhandlungsphase schließlich aufgegeben. Nun wird er dem Senat empfehlen, bremen.de an einen neu zu gründenden Eigenbetrieb zu vergeben, der weit gehend personenidentisch mit der bremer online services GmbH (bos) sein wird. Bos-Geschäftsführer Stephan Klein soll zunächst die Neugründung führen, die sich kurzfristig an die dringend notwendige Überarbeitung des seit 1996 stagnierenden Online-Angebots machen. Während des Bieterverfahrens waren grundlegende Veränderungen aufgeschoben worden, so dass bremen.de seinen Spitzenplatz im Bundes-Vergleich längst verloren hat – obwohl die so genannten „e-government“-Anwendungen immer noch als vorbildlich gelten. Rund eine halbe Million Euro will Perschau nun für ein Relaunch locker machen. Nur in sehr bescheidenem Maßstab wird es nun einen „privaten Marktplatz“ für E-Commerce-Angebote geben, den man sich eigentlich von der Privatisierung erhofft hatte. „Mit der Nachfrage“ soll der Markt nun wachsen. Gute Chancen hat dagegen die alte Forderung nach kostenlosen Internet-Adressen für alle Bremerinnen, die mit @bremen.de enden.
„Toll“, freut sich die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Anja Stahmann, „in meiner Heimatstadt Bremerhaven gibt es das schon lange.“ Stahmann hatte die geplante Kommerzialisierung von bremen.de stets kritisiert, weil sie den freien Informationszugang für alle BürgerInnen gefährde. Auch Berlin habe „die Privatisierung längst bereut“, hatte sie dem Senat vor zwei Jahren vorgehalten. Bei der SPD-Fraktion hält sich die Trauer in Grenzen: „Ich habe immer was gegen die Privatisierung gehabt“, sagt der medienpolitische Sprecher Frank Schild. Nur die CDU habe immer partout verkaufen wollen. Jan Kahlcke
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