: Geschlechterwunder von oben
Diese Woche entscheidet sich, ob die Bundesministerien in der nächsten Legislaturperiode die Geschlechterdemokratie proben. Ein internationaler Kongress in Leipzig diskutierte schon mal Risiken und Nebenwirkungen des „Gender Mainstreamings“
aus Leipzig HEIDE OESTREICH
Frauentagungen gehen im Allgemeinen so: Eine erstaunlich homogene Altersgruppe, deren Repräsentantinnen sich erstaunlich gut kennen, trifft aufeinander und bestätigt sich gegenseitig, wie schwer ihre Mission ist und wie schlecht die Männerwelt. Männertagungen sind altersmäßig gemischter, aber vom Grad des Jammerns her absolut vergleichbar.
In Leipzig fand am Wochenende erstmals in Deutschland eine Gendertagung statt. Mit Frauen und Männern. Das war eine gute Idee. Es war unmöglich, die jeweils andere Gruppe (von 400 Teilnehmenden waren etwa 40 männlich) pauschal zu verdammen. Irgendwie wollte sich auch die Larmoyanz nicht so recht einstellen.
Vielleicht, weil es ein neues Thema gab: Die Bundeszentrale für politische Bildung hatte nach dem Stand des Gender Mainstreamings in Europa gefragt und international eingeladen.
Die meisten Menschen wissen nicht, dass Gender Mainstreaming bedeutet, politisches Handeln auf seine Auswirkungen auf beide Geschlechter zu untersuchen, mit dem Ziel, Ungleichheiten abzubauen. Diese Tatsache sollte darauf schließen lassen, dass es mit dem „GM“ nicht besonders weit her ist.
Aber: Ganz so schlimm sieht es nicht aus, stellte sich heraus. GM ist nämlich ein so genanntes „top-down“- Konzept. Es wird also dem Chef, etwa Gerhard Schröder, zunächst als Demokratieproblem präsentiert. Schließlich hat auch Deutschland sich, was ebenfalls die wenigsten wissen, in verschiedenen Verträgen verpflichtet, Ungleichheit zwischen den Geschlechtern abzubauen. Nebenbei steht es auch im deutschen Grundgesetz.
Der Chef, so das Kalkül, sorgt dann dafür, dass ordentlich geforscht wird, alle Ministerien ihre Gesetzgebung überprüfen und bald die Vorschläge sprudeln: wie diskriminierendes Tarifrecht geändert werden kann, welche Medikamente Frauen und Männer benötigen (nämlich unterschiedliche), wie man mehr Frauen in die Außenpolitik kriegt, und wie man die Zahl der männlichen Kindergärtner erhöhen kann.
Das ist natürlich etwas anderes, als wenn Frauenbeauftragte sich treffen und darüber austauschen, mit welchen neuen Tricks ihre Chefs die Beförderung von Frauen verhindern. Und es ist noch nicht mal nur eine hübsche Theorie: Die rot-grüne Regierung hat verschiedenste Modellprojekte entwickelt, um Gender Mainstreaming einzuführen, wie die dafür eingestellte Koordinatorin, Birgit Schweikert, erklärte – zusammen mit einem Herrn vom Innenminsterium übrigens (so etwas wird in Zukunft Genderwunder genannt werden).
Die Regierung ist dabei so weit gediehen, dass diese Woche entschieden wird, ob alle Ministerien in der nächsten Legislaturperiode eine Art Checkliste anwenden, um die Geschlechtergerechtigkeit ihrer Vorhaben zu prüfen. Damit könnte es in Zukunft zumindest auffallen, dass eine Kommission wie die von Herrn Hartz mit 14 zu 1 nicht so richtig ausgewogen besetzt ist.
Die Frauenbeauftragten auf dem Kongress wunderten sich: Warum denn die Leute, die ihnen immer nur Steine in den Weg legten, plötzlich anfangen sollten, das Geschlechterproblem ernst zu nehmen?, fragte eine ungläubig. Tja. Schwer zu sagen. Der New Yorker Männerforscher Michael S. Kimmel wagte die Prognose, dass die Männer schon noch merken würden, dass Feminismus auch ihnen gut tut.
Eine andere mögliche Erklärung lieferte die niederländische Soziologin Mieke Verloo: Die Technik des GM kann man wunderbar ins Leere laufen lassen. Wo auch immer GM eingeführt wurde, so referierte sie, wurden die Frauenprogramme abgeschafft.
Dann entwickelte man Handbücher und stellte sie in die Regale. In Holland etwa gibt es ein „Manual“, aber, so Verloo: „es steht nicht mal drin, was das Ziel der Überprüfung ist – nämlich Ungleichheit abzubauen“. Vor lauter Angst, dass die Männer merken, dass da Umverteilung beginnen könnte, hat man lieber keine Richtung vorgegeben. Und: Das ganze GM ist in den Niederlanden freiwillig.
Die Deutschen versuchen davon zu lernen. Sie wollen Überprüfungsinstanzen einbauen. Und es passiert ja sogar etwas. Die Bundeszentrale selbst etwa hat sich gegendert – und ist nun immer auf der Suche nach weiblichen Referenten. Das Innenministerium hat leichtsinnig versprochen, den BAT auf Diskriminierungen zu untersuchen.
Wie man Justiz, Außenpolitik, Sozialpolitik oder multikulturelle Gesellschaften gendern könnte, versuchten auf der Tagung auch Fachforen zu ermitteln. Da ergab sich schnell das zweite Problem mit dem GM: Kann man mal eben den militaristischen Sicherheitsbegriff der internationalen Politik umdefinieren, indem man betont, dass Frauen lieber ein Dach über dem Kopf und keie Uranmunition-bedingte Leukämie haben als einen Krieg? Oder soll GM nur heißen, dass mehr Frauen die immer gleiche Außenpolitik machen? Letzte Mahnung für diesmal, von der Chicagoer Stadtsoziologin Saskia Sassen: „I dont want to be in there, I want to change it!“ Da war er wieder, der feministische Sound. Fast hätte man ihn schon vermisst.
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