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Bremer Selbsthilfe am Ende pleite

Der ins Gerede gekommenen Drogenhilfe-Einrichtung „Bremer Hilfe“ droht der Konkurs. Der wegen Betrugs und Untreue angeklagte „Bremer Hilfe“-Vorsitzende Tegeler verhindert die Rettung, sagt Sozialstaatsrat Knigge

„Jetzt ist es mit unserer Geduld vorbei“, sagt der Staatsrat des Arbeitsressorts, Arnold Knigge. 17 Monate lang hat es Verhandlungen mit dem Drogenhilfe-Verein „Bremer Hilfe zur Selbsthilfe“ gegeben. Jetzt gibt es eine letzte Frist bis Ende der Woche – was dann bleibt, ist der Konkurs. Diverse Sozialprojekte der Bremer Hilfe, in denen insgesamt 87 Menschen beschäftigt sind, stehen auf dem Spiel.

Eigentlich sollten die Projekte am 1. Januar 2002 auf die Hamburger „Therapiehilfe“ übertragen werden, die würde eine fachlich kompetente Fortführung sicherstellen. „Mit dem Träger Bremer Hilfe arbeiten wir nicht mehr zusammen“, erklärte Staatsrat Knigge. Die Drogenhilfe-Projekte selbst würde er gern fortführen.

Sein Vorgänger Christoph Hoppensack hatte mit Volker Tegeler, dem Vorsitzenden der Bremer Hilfe, zusammengearbeitet – möglicherweise zu eng. Tegeler war unter Hoppensack ’groß geworden’. Damals konnte die Bremer Hilfe einzelne Projekte bei den verschiedenen Geldgebern doppelt abrechnen. „Betrug“ sei das, findet die Kripo. Nach jahrelangen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft inzwischen Anklage gegen den früheren Geschäftsührer Klaus Dyck und Volker Tegeler erhoben. Ein Prozess hat allerdings noch nicht stattgefunden, obwohl es um Vorfälle aus der Mitte der 90-er Jahre geht.

Schuld am Scheitern der Übernahme-Verhandlungen sind ausgerechnet die beiden, die irgendwann einmal vor Gericht stehen werden, sagt Staatsrat Knigge. Denn das Problem bei der Übertragung waren alte Schulden von mehr als einer Million Euro, und alle wollten verzichten – bis auf die AWO Bremerhaven und das Tagungszentrum Kramelheide. Geschäftsführer der AWO Bremerhaven aber ist der Bremer Hilfe-Vorsitzende Tegeler, und Kramelheide führt sein damaliger Geschäftsführer Dyck.

Die Arbeiterwohlfahrt Bremerhaven hatte der Bremer Hilfe Geld geliehen, als die doppelt gezahlte Zuwendungen an das Sozialressort zurückzahlen musste. Die AWO Bremerhaven erledigt zudem bis heute auf Pump die Buchhaltung für die Bremer Hilfe – „damit die Seriosität sichergestellt ist“, sagt AWO-Geschäftsführer Tegeler, gegen den wegen Betrugs und Untreue Anklage erhoben ist. An das Bildungszentrum Kramelheide ist vom Bremer Hilfe-Geschäftsführer Klaus Dyck das Bürohaus der Bremer Hilfe günstig verkauft und zu teuren Konditionen zurückgemietet worden.

Dyck ist wie auch Tegeler nach wie vor Mitglied im Träger-Verein der Bremer Hilfe. Dessen Mitgliederliste liest sich wie ein sozialdemokratischer Filz-Kreis: Da sitzt neben Tegeler und Dyck auch der Bremerhavener AWO-Vorsitzende Lothar Koring (SPD), die Bremer Hilfe-Mitarbeiterin Helga Jansen (SPD) und Manfred Jabs, heute stellvertretender AWO Bremerhaven-Vorsitzender, früher Geschäftsführer des SPD-Landesverbandes. Da die Beschuldigten das Sagen haben, führten die jahrelangen Ermittlungen der Kripo weder im Verein Bremer Hilfe noch bei der AWO Bremerhaven zu personellen Konsequenzen.

Ein Konkurs würde es der Hamburger Therapiehilfe ermöglichen, sich auf die lukrativen Einrichtungen der Bremer Hilfe (etwa die Drogentherapie-Einrichtungen Pyramide und Loxstedt) zu beschränken, sie müsste nicht das ganze Paket übernehmen. Im Sozialressort, so fürchtet man bei der Bremer Hilfe, würde der Konkurs zudem als Möglichkeit gesehen, einzelne kostspielige Projekte zu streichen. Im staatlichen Drogenhilfe-Bereich wurden schon Stellen gestrichen, um Geld zu sparen. Staatsrat Knigge versichert allerdings, sein Ziel sei es, „alle Arbeitsplätze“ zu erhalten – nur nicht mit diesem Trägerverein.

Klaus Wolschner

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