piwik no script img

Vivantes’ Griff in die leere Tasche

Der landeseigene Klinikkonzern will den notwendigen Neubau in Hellersdorf gegebenfalls selbst bezahlen. Wie die hoch verschuldete GmbH das schaffen will, sagt ihr Chef Wolfgang Schäfer nicht. Krankenhäuser will er nicht verkaufen

Der landeseigene Klinikkonzern Vivantes GmbH lehnt den Verkauf einzelner Häuser ab, will nur bei Service-Tochtergesellschaften private Geldgeber beteiligen und auch den Standort Hellersdorf nicht aufgeben. Den dort nötigen Neubau will der Konzern gegebenenfalls aus Eigenmitteln finanzieren. Bei einem Zwischenbericht zum für Oktober erwarteten Sanierungsplan für den hoch verschuldeten Konzern kündigte Vivantes-Chef Wolfgang Schäfer Umstrukturierungen an. Wie viele Arbeitsplätze das kostet, mochte er mit Verweis auf noch ausstehende Berechnungen nicht sagen.

Die Betriebsräte vor der Tür der Pressekonferenz hätten zufrieden sein können – eigentlich. „Klinikum Hellersdorf muss Teil von Vivantes bleiben“, hatten sie auf ein Spruchband geschrieben. Sie fordern aber auch, dass der Senat den Neubau finanziert. „Wenn Vivantes selbst zahlt, muss das wieder das Personal schultern“, sagte der Betriebsratschef des Klinikums Neukölln, Volker Gernhardt. Dann werde die Geschäftsführung den Tarifvertrag aufkündigen.

„Das ist nicht wahr“, widersprach Vivantes-Sprecherin Fina Geschonnek gegenüber taz. Schäfer hatte nicht ausgeführt, wie Vivantes den bisher mit 60 Millionen Euro veranschlagten Neubau stemmen will. Das sei eine Absichtserklärung, sagte Geschonnek. Das „Wie“ werde gerade geprüft, zusammen mit der Frage, ob es nicht billiger geht.

Beim Senat steht der Neubau in der Investitionsplanung für 2005. „Eine Entscheidung zu Hellersdorf ist noch nicht gefallen“, sagte die Sprecherin der Gesundheitsverwaltung, Roswitha Steinbrenner. Senatorin Heidi Knake-Werner (PDS) sei sich mit Vivantes, dem Bezirk und der PDS-Fraktion einig, dass ein Ersatzbau hermüsse.

CDU-Mann Mario Czaja, gesundheitspolitischer Sprecher im Abgeordnetenhaus und in Hellersdorf zu Hause, hatte angesichts der Finanzmisere vorgeschlagen, das Krankenhaus Hellersdorf und zwei weitere zu verkaufen. „Nicht reden, sondern tun“, sagte er gestern zu Schäfers Ankündigung, den Neubau gegebenenfalls aus Eigenmitteln zu bezahlen. „Woher er das Geld nehmen will, weiß ich nicht.“

An eine Landesfinanzierung glaubt Czaja nicht. Seit 1995 stehe der Neubau in der Investitionsplanung, immer wieder sei er verschoben worden. „Es ist Betrug an den Patienten und an den Wählern vor Ort, wenn man jetzt noch immer davon redet.“

Konkrete Zahlen zur zukünftigen Konzernstrategie will Vivantes erst mit seinem Sanierungskonzept im Oktober vorstellen. Schäfer verwies wieder auf den „Geburtsfehler“, dass Vivantes bei seiner Gründung mit zu wenig Eigenkapital ausgestattet worden sei. Das Land hatte Anfang 2001 zehn Krankenhäuser zum größten deutschen Klinikkonzern zusammengefasst. Nach Auflösung des Max-Bürger-Zentrums – der Schwerpunkt Geriatrie kommt zum Krankenhaus Wenckebach – sollen nach Konzernangaben neun Standorte bleiben. Einen Verkauf schloss Schäfer aus: „Vivantes lebt von seiner Größe und seiner Stärke.“

Statt genauer Zahlen nannte Vivantes gestern nur den Rahmen: bis 2010 die Finanzen „endgültig in den Griff bekommen“. Dazu soll der Konzern effektiver arbeiten. „Unsere Produktivität liegt unter der des Bundesdurchschnitts“, sagte der Konzernchef mit der Wortwahl des Sanierers. Bei Vivantes kommen 57 Mitarbeiter auf 1.000 Patienten.

Sparpotenzial sieht Schäfer auch bei den Rettungsstellen in den Krankenhäusern, die jährlich 500.000 Patienten versorgten, 70 Prozent davon ambulant – „obwohl die meisten davon nur den Hausarzt benötigten“. Diese Stellen sollen zwar erhalten bleiben – „das ist eine Art Gewohnheitsrecht geworden“ –, aber eine andere Struktur bekommen. STEFAN ALBERTI

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen