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Für eine Hand voll Sums

Der gut besetzte „President’s Cup“ in Taschkent ist nur das augenfälligste Symptom eines seltsamen Tennisbooms in Usbekistan, den der absolutistisch regierende Präsident Karimow in Gang gesetzt hat

aus Taschkent PETER BÖHM

Der Präsident hatte seine Freude. Mit Jewgeni Kafelnikow auf dem Sitz neben sich diskutierte er angeregt jeden Ballwechsel des Eröffnungsspiels, schob ab und zu die Hand fachmännisch nach vorne wie bei einer unterschnittenen Rückhand und fieberte auch sonst kräftig mit.

Usbekistan erlebt in den letzten Jahren so etwas wie einen Tennisboom. Der „President’s Cup“, der diese Woche in Taschkent stattfindet, ist nur eines der auffälligsten Zeichen dafür. Eine Menge Tennis-Prominenz ist wieder dabei bei dem Hartplatzturnier: die ehemaligen Weltranglisten-Ersten Marat Safin und Magnus Norman zum Beispiel, Kafelnikow, aber auch das gesamte deutsche Davis-Cup-Team um Thomas Haas, der sein gestriges Viertelfinale gegen den Weißrussen Wladimir Woltschkow beim Stand von 2:6 und 1:2 wegen neuerlicher Probleme im Schlagarm allerdings aufgeben musste. Das Turnier ist mit 550.000 Dollar dotiert und liegt damit im oberen Drittel im ATP-Zirkus. Es findet inzwischen zum sechsten Mal statt, und die Spieler betonen herzlich und oft, wie gerne sie jedes Jahr in die usbekische Hauptstadt kommen.

Aber nicht nur das. Usbekistan hat nach der Unabhängigkeit vor elf Jahren eine Transformation zum Tennisdorado durchlebt. Anfang der 90er-Jahre gab es in Taschkent ein gutes Dutzend Tennisplätze. Heute sind es über 120. In jeder der zwölf Regionen des Landes gibt es moderne Tenniscenter, in vielen davon werden jährlich internationale Jugend- und Junioren-Turniere ausgetragen. Zudem hat die Hauptstadt mit der 20-jährigen Iroda Tuljaganowa inzwischen eine Spielerin, die im vergangenen Jahr drei Titel gewonnen und es unter die ersten 20 der Welt geschafft hat.

Tennis boomt also in Usbekistan, und dafür gibt es einen einfachen Grund: Präsident Islam Karimow ist der Erste Fan des Landes. Er liebt den weißen Sport, und bei einer solch byzantinischen Regierungsform wie der usbekischen musste das Folgen haben. Der Präsident wies seine Minister an, mit gutem Beispiel voranzugehen. Seitdem kann man in Taschkent frühmorgens um fünf die alten Herren schwitzen sehen. Stellvertretende Ministerpräsidenten sind dabei, Generäle, Geheimdienstchefs und der Bürgermeister der Stadt. „Am Anfang haben sie ziemlich komisch ausgesehen – erwachsene Männer, die die Grundlagen des Tennis zu lernen versuchten“, hat der Präsident des Tennisverbandes Igor Schepelew gegenüber einer ausländischen Nachrichtenagentur eingeräumt. Aber auch das Eröffnungsspiel miterlebt zu haben hieß, Bescheid zu wissen: Wie ein ganzer Stadtteil abgesperrt, Straßen, Cafés und Läden geschlossen wurden, wie die Honoratioren des Landes angetreten waren, wie eine ganze Halle einem Mann huldigte, und wie sie dann beim Spiel von Marat Safin fast leer war, nachdem der Präsident gegangen war, sagte viel mehr über Usbekistan aus als viele politische Bibliotheken.

Denn: Die meisten Taschkenter nehmen die ganze Aufregung eher dezidiert gelangweilt zur Kenntnis. Sie haben andere Sorgen, als ihre paar Usbekistan-Sums für Tennis auszugeben, auch wenn eine Tageskarte für das Turnier selbst am Finaltag nur umgerechnet zwei Euro kostet. Das Billett entspricht dem Wert von 40 „Regierungsbroten“, jenen kastenförmigen Laibern, die staatlich subventioniert sind, oder 35 Busfahrscheinen. Und so sagen viele entschuldigend, sie schauen sich die Spiele abends im Fernsehen an, und die Tribünen an den Plätzen sind eben – außer zu Eröffnung und Finale, wenn der Präsident und sein Hofstaat kommen – reichlich leer und müssen mit Schulkindern aufgefüllt werden, die Freikarten bekommen haben.

Wäre also alles gut so weit. Für junge Spieler in Asien ist der President’s Cup eine Chance, sich mit wenig Reisespesen ATP-Punkte zu erspielen und in der Weltrangliste aufzusteigen. Und „Usbekistan wurde durch das Turnier bei Millionen von Fans in der ganzen Welt bekannt gemacht“, wie Präsident Karimow zur Eröffnung sagte. Was zweifellos richtig ist. Wenn das präsidiale Hobby für das Land nicht auch ein teures Vergnügen wäre: Die Einnahmen des Turniers durch Eintrittskarten sind zu vernachlässigen, die für die Fernsehrechte halten sich in Grenzen. Aber wofür gibt es denn Sponsoren! Nur sind die außer einem Schweizer Nahrungsmittelkonzern, der in Usbekistan sterilisierte Milch verkauft, und einem Taschkenter Hotel beim „President’s Cup“ das usbekische Ministerium für Außenhandelsbeziehungen, das Komitee für Staatseigentum und mehr als zehn weitere Staatsbetriebe.

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