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Schuld ist immer der Gärtner

Zeit für Grünflächenpflege: Beim 1 : 1 zwischen Dortmund und Schalke schaffen es weder Spiel noch Umfeld sich dem kämpferischen Charakter der ruhmreichen Derby-Tradition angemessen anzupassen

aus Dortmund ULRICH HESSE-LICHTENBERGER

Eine Stunde vor Beginn des 120. Revier-Derbys zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 rannten zwei Busse über das Spielfeld. Genauer gesagt handelte es sich um zwei Miniaturbusse, die von jeweils vier Fans aus beiden Lagern getragen wurden. Das schwarz-gelbe Vehikel lag bis zur Mittellinie vorne, aber dann geriet einer der Läufer ins Straucheln. Der blau-weiße Bus nutzte dies, um in Führung zu gehen, und obwohl die Dortmunder prompt aufholten, ließen sich die Schalker als zumindest moralische Sieger feiern. Diese hausbackene Gaudi ist zum einen deshalb erwähnenswert, weil sie den biederen Beginn, Verlauf und Ausgang des nachfolgenden Spiels vorwegnahm. Zum anderen blieb jenes heitere Busselaufen für lange Zeit das Aufregendste, was den Betrachtern geboten wurde.

Nach einem Drittel der Spielzeit hatten nämlich höchstens diverse Ruppigkeiten und Rumschubsereien für so etwas wie Unterhaltung gesorgt. Nicht wenige der Zuschauer blickten da schon versonnen und gelangweilt zum Himmel, als hofften sie, das Schalker Vereinsmitglied Jürgen W. Möllemann möge zwecks Wahlkampf per Fallschirm herabschweben. Doch Möllemann kam nicht, dafür aber plötzlich der BVB. Zwischen der 34. und 36. Minute boten sich Jan Koller zwei große Chancen, und Tomas Rosicky wurde von Marco van Hoogdalem auf der Strafraumgrenze umgesäbelt.

Wie sich zeigen sollte, waren es diese 180 Sekunden, die letztlich das Spiel entschieden und es mit einem Unentschieden enden ließen. „Es würde uns schon sehr helfen, wenn wir mal wieder in Führung gingen“, bilanzierte nämlich anschließend BVB-Trainer Matthias Sammer, und in diese Wunde legte auch Dede seinen Finger. „Wenn wir zum Ende der ersten Halbzeit ein Tor gemacht hätten, wäre das Spiel viel besser gelaufen“, trauerte der Brasilianer den Möglichkeiten der Tschechen hinterher. So aber lief das Spiel immer schlechter. Die Gäste brauchten fast eine Stunde, bis sich aus dem Spiel heraus eine Möglichkeit für sie ergab, und das war ein Distanzschuss des Uruguayers Gustavo Varela. Die Borussen bekamen ihrerseits durch einen schnell ausgeführten Freistoß eine Gelegenheit, die sich aber dem fahrigen Jörg Heinrich bot und deshalb auch vergeben wurde.

Das klingt nach einem drögen Derby, und in der Tat waren nach dem Abpfiff viele Fußballspiele das Thema von Gesprächen, selten aber die Partie Dortmund gegen Schalke. Dede erzählte, er habe mit Marcio Amoroso telefoniert, rechne aber für das Spiel in Rostock noch nicht mit ihm. Tomas Rosicky analysierte den Stil des nächsten Gegners, Arsenal London. Stefan Reuter zeigte sich erfreut, dass Fredi Bobic für Hannover in Leverkusen getroffen hatte. Dann stieg er in eine Diskussion über Grünflächenpflege ein.

„Es kann nicht sein, dass der Rasen zu dieser Jahreszeit schon in einem so schlechten Zustand ist“, meinte Reuter, nachdem Matthias Sammer den Platz schon als „Kartoffelacker“ bezeichnet hatte und sein Schalker Kollege Frank Neubarth ausführte, auf einem solchen Untergrund müsse man „den Ball auch einfach mal wegschlagen“. Andererseits hatte dieser böse Rasen immerhin dafür gesorgt, dass wenigstens noch Tore gefallen waren. Nach 70 Minuten schlug nämlich Dortmunds Ahmed Madouni den Ball nicht einfach bloß weg, was seinen Kollegen Christoph Metzelder dazu brachte, „acht Gedanken auf einmal zu haben“. Der neunte war, den Ball Victor Agali zu schenken, und der schloss zum 0:1 ab. Im Gegenzug kam Schalkes anderer Uruguayer, Dario Rodriguez, auf dem westfälischen Kartoffelacker nicht schnell genug mit Ewerthon mit, und der nickte den Ausgleich ein. Das war alles an Derby-Drama für diesen Tag.

Höflicherweise verglich Rodriguez die Partie später mit den legendären Spielen zwischen den beiden großen Klubs seiner Heimat. „Das war schon so wie Penarol Montevideo gegen Nacional Montevideo“, sagte er. Er meinte damit wohl, dass Penarol in Schwarz-Gelb, Nacional in Blau-Weiß spielt. Andere Parallelen gibt es nicht mehr. Das letzte wirklich aufregende Ruhr-Derby war das 2:2 vor fünf Jahren, in dem Jens Lehmann per Kopf für Schalke traf. Das war auch ungefähr der Zeitpunkt, zu dem die Klubs erkannten, dass sie sich fast mögen und dass der Europacup wichtiger als Rivalität ist. Zum Beweis dieser These beschloss Dortmunds Pressesprecher Josef Schneck den Tag mit dem Satz: „Wir wünschen unseren Schalker Freunden in Weissrussland alles Gute.“

Borussia Dortmund: Lehmann - Metzelder, Wörns (43. Madouni), Reuter, Dede - Heinrich, Kehl - Rosicky (74. Frings) - Evanilson, Koller, Ewerthon FC Schalke 04: Rost - Oude Kamphuis, Hajto, van Hoogdalem, Rodriguez - Kmetsch, Poulsen - Asamoah (68. Agali), Möller (82. Wilmots), Varela - SandZuschauer: 68.600 (ausverkauft) Tore: 0:1 Agali (70.), 1:1 Ewerthon (71.)

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